Ausländerrecht
DAS SCHENGENER ÜBEREINKOMMEN
Geschichte
Am 14. Juni 1985 unterzeichneten die Vertreter von fünf EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Niederlande) in Schengen das Schengener Übereinkommen. 5 Jahre später wurde dann durch diese Länder das Schengener Durchführungsübereinkommen unterzeichnet. Mit dem Vertrag von Amsterdam vom 02. Oktober 1997 wurde beschlossen, das Schengener Übereinkommen zum 01. Mai 1999 in die EU-Verträge zu integrieren. Dem Vereinigten Königreich und Irland wurde eine Ausnahmeregelung zugebilligt. Diese führen weiterhin Kontrollen an ihren Grenzen durch.
- Inhalt
Zu den Inhalten des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens wird insbesondere auf den 2. Link in der unten stehenden Link-Liste verwiesen. Hier von Interesse sind folgende drei Regelungen:
- Die Angehörigen von Staaten, die das Schengener Übereinkommen vollständig anwenden, können ohne Grenzkontrollen innerhalb dieser Staaten reisen
- Für Drittstaatsangehörige (das heißt Bürger eines Staates, der nicht Teil des Schengener Übereinkommens ist) gilt:
- wenn sie über ein in der räumlichen Gültigkeit nicht beschränktes Visum verfügen, dass von einem Staat ausgestellt wurde, der das Schengener Übereinkommen vollständig anwendet oder
- wenn sie aus einem Staat kommen, für den im Schengener-Raum Visumfreiheit gilt (vgl. die Liste im 3. Link in der Linkliste),
dann dürfen sie sich im Rahmen der Gültigkeit und des Zwecks der Visa auch in den anderen Schengen-Vollanwenderstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien,) aufhalten. Ebenso wie die Bürger der Staaten des Schengen-Raums unterliegen sie keinen Grenzkontrollen.
- Alle Drittstaatsangehörige die sich aufgrund einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung legal in einem Staat aufhalten, der das Schengener Übereinkommen vollständig anwendet, können mit einem gültigen Reisepass visumfrei bis zu 3 Monate pro Halbjahr in die anderen Schengen-Vollanwenderstaaten reisen.
III. Teilnehmer am Schengener Übereinkommen
Inzwischen nehmen 33 Länder am Schengener Übereinkommen teil.
Der große Teil der Länder wendet das Schengener Übereinkommen vollständig an (Schengen-Vollanwenderstaaten):
- Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien
Manche Länder nehmen faktisch teil, weil sie mit einem Staat des Schengener Übereinkommens die Grenze teilen, aber keine Grenzkontrollen haben:
- Andorra, Monaco, San Marino, Vatikanstadt
Ein Teil der Staaten steht davor Teil des Schengener Abkommens zu werden:
- Grenzkontrollen (nicht Warenkontrollen) entfallen voraussichtlich Ende 2006 / Anfang 2007: Liechtenstein, Schweiz
- Grenzkontrollen entfallen voraussichtlich nicht vor Ende 2007: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern
Für Irland und das Vereinigte Königreich schließlich besteht die Ausnahmeregelung, dass diese an der im Schengener Übereinkommen geregelten Strafverfolgung und der polizeilichen Zusammenarbeit teilnehmen, aber den Bereich der Grenzkontrollen selbständig regeln.
- Links
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUndAufenthalt/Uebersicht_node.html
Informationen des Auswärtigen Amtes zur Visumpflicht, Texten des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens, sowie Visumanträgen in verschiedenen Sprachen
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUndAufenthalt/Schengen_node.html
Informationen des Auswärtigen Amtes zum Schengener Übereinkommen
https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/FAQ/VisumFuerD/17-Schengenstaaten.html?nn=350374
Länderliste in der unterschieden wird, ob Visumpflicht für den Schengen-Raum besteht oder nicht
Informationen zum Schengener Übereinkommen in Englisch
http://www.diplomatie.gouv.fr/venir/visas/index.asp?français
Informationen zum Schengener Übereinkommen in Französisch; Anträge für Frankreich
FREIZÜGIGKEIT IN DER EU
Die Bürger und Bürgerinnen der Europäischen Union haben das Recht, jederzeit in die anderen Staaten der EU einzureisen und sich dort aufzuhalten (Freizügigkeit) und sich zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit niederzulassen (Niederlassungsfreiheit). Die Angehörigen der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) sind EU-Bürgern in Bezug auf die Freizügigkeitsrechte gleichgestellt. Dies gilt auch für die Staatsangehörigen der Schweiz.
Unionsbürger sind uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigt und können nach Deutschland einreisen:
- als selbständige Erwerbstätige
- als Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen
- als Studenten, Rentner, Nichterwerbstätige
- als sog. Verbleibeberechtigte
Nichterwerbstätige Unionsbürger, Rentner und Studenten genießen nur dann die volle Freizügigkeit, wenn sie über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen. Der Krankenversicherungsschutz ist dann ausreichend, wenn er bestimmte ärztliche Leistungen abdeckt. Die ausreichenden Existenzmittel müssen zum Zeitpunkt der Einreise verfügbar sein.
Nachzug von Familienangehörigen aus Drittstaaten: Diese Familienangehörigen haben grundsätzlich ein Nachzugsrecht zu den freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern. Als Familienangehörige gelten Ehegatten bzw. Lebenspartner, Verwandte in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind, und die sonstigen Verwandten in aufsteigenden oder absteigender Linie der freizügigkeitsberechtigten Person oder ihres Ehegatten bzw. Lebenspartners, denen diese Unterhalt gewähren.
Familienangehörige von nichterwerbstätigen Unionsbürgern, Rentnern und Studenten dürfen nur dann nachziehen, wenn sie über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen.
Den Familienangehörigen aus Drittstaaten wird, wenn die oben genannten Voraussetzungen vorliegen und sie bei dem Freizügigkeitsberechtigten wohnen, von Amts wegen eine Aufenthaltskarte/EU erteilt.
SELBSTÄNDIGE ERWERBSTÄTIGKEIT VON AUSLÄNDERN (NICHT EU-BÜRGER)
Nach dem Aufenthaltsgesetz vom 01.01.2005 können Ausländer, die in Deutschland einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen möchten, zu diesem Zweck unter folgenden Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 21 AufenthG erhalten:
1. Es muss ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis bestehen,
2. die Tätigkeit muss positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lassen und
3. die Finanzierung der Umsetzung muss durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert sein.
Ist dies der Fall, richtet sich die Beurteilung des Vorliegens der genannten Voraussetzungen (und damit die Frage, ob eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann) insbesondere nach folgenden Gesichtspunkten:
1. der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee,
2. den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers,
3. der Höhe des Kapitaleinsatzes,
4. den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und
5. dem Beitrag für Innovation und Forschung.
Bei der Beurteilung dieser Fragen werden die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligt.
Sind Sie über 45 Jahre alt, muss außerdem – als eine zusätzliche Voraussetzung für die Aufenthaltserlaubnis – eine angemessene Altersversorgung vorhanden sein und diese auch nachgewiesen werden.
Wird die Geschäftsidee erfolgreich verwirklicht und ist der Lebensunterhalt gesichert, so kann auf Antrag schon nach drei (anstatt normalerweise fünf) Jahren eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden.
Sonderregelungen für die Dominikanische Republik, Indonesien, Iran, Japan, Philippinen, Sri Lanka, Türkei und den USA:
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit diesen Ländern Freundschafts-, Handels- und Niederlassungsverträge mit sogenannten Meistbegünstigungs- oder Wohlwollensklauseln abgeschlossen. Aufgrund dieser Verträge und Klauseln kann den Bürgern dieser Länder – abweichend von den oben genannten Voraussetzungen – eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit erteilt werden. Denn durch die Verträge wird das Ermessen der Behörde in der Weise reduziert, dass über den Antrag mit größtmöglichem Wohlwollen zu entscheiden ist. So darf zum Beispiel ein Aufenthaltstitel nicht allein deshalb versagt werden, weil kein öffentliches Bedürfnis besteht.
Ganztageskinderbetreuung die Regel. Unterhalt soll daher nur in Ausnahmefällen gezahlt werden, und wenn nur für eine Übergangszeit.
EHESCHLIESSUNG IN DÄNEMARK
Vorteile für die Eheschließung in Dänemark
Die Eheschließung in Dänemark bringt viele Vorteile mit sich. Sie ist unbürokratischer und kann daher schon nach kurzer Zeit vorgenommen werden. Jedoch gelten auch hier die gleichen Ehehindernisse, wie Unmündigkeit, Verwandtschaft oder Bigamie, wie in Deutschland, die eine Ehe unwirksam machen. Daher kann allenfalls nur von einer schnelleren Heirat in Dänemark gesprochen werden, nicht aber von einer „leichteren“ bzw. eine Eheschließung mit weniger Auflagen.
Sollte man sich aufgrund dieser Vorteile für eine Eheschließung in Dänemark entscheiden, braucht man als deutscher Staatsangehöriger bzw. Als EU-Angehöriger lediglich die Geburtsurkunde und eine Meldebescheinigung (Aufenthaltsbescheinigung), aus der der Familienstand und die Anschrift hervorgeht.
Als Nicht-EU-Angehöriger in Dänemark heiraten
Es sind die Geburtsurkunde dann die Aufenthaltsbescheinigung und Ledigkeitsbescheinigung notwendig. Ist einer der beiden zukünftigen Ehegatten schon einmal zuvor verheiratet gewesen, ist auch eine Bescheinigung über die Scheidung, bzw. Auflösung der Ehe erforderlich.
Es ist keine Eheschließung für sich in der Europäischen Union aufhaltende illegale Ausländer möglich, da eine Aufenthaltsbescheinigung von dänischer Seite verlangt wird. Es wird in jedem Fall der legale Aufenthalt in Dänemark gefordert! Somit ist z.B. eine Eheschließung eines Ausländers, der in Deutschland Asylbewerber ist oder sich aufgrund einer Duldung in Deutschland aufhält, nicht möglich.
Bei ausländischen Dokumenten ist darauf zu achten, dass diese beglaubigt sind (durch Apostillen) und auch die Übersetzungen von einem zugelassenen Übersetzer beglaubigt sind. Dokumente in englischer und dänischer Sprache sind ohne Übersetzung anerkannt.
BESONDERHEITEN DES EHESCHLIESSUNGSVERFAHREN IM IN- UND AUSLAND FÜR BINATIONALE PAARE
Seminar zum Thema „Besonderheiten des Eheschließungsverfahren im In- und Ausland für binationale Paare sowie die Frage der Notwendigkeit eines Visums zum Zwecke der Einreise. Welche Möglichkeiten haben unverheiratete Paare?“
von Svenja Schmidt-Bandelow (gehalten am 18. März 2011, Veranstalter: Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF)) – pdf-Version
1. Anmeldung und Unterlagen zur Eheschließung
Grundsätzlich werden zur Anmeldung der Eheschließung folgende Unterlagen benötigt:
gültiger Nationalpass
- Dieser soll als Nachweis der Staatsangehörigkeit dienen. Eine Duldung oder Aufenthaltsgestattung kann einen Pass nicht ersetzen, da die darin enthaltenen Angaben nur auf mündlichen Angaben des Inhabers beruhen.
Geburtsurkunde
Nachweis des Familienstandes (vergl. hierzu unter 2)
Nachweis des Wohnsitzes
(bei bereits Geschiedenen) Heiratsurkunde und Scheidungsurteil
- Wer vorab Informationen über die beim Standesamt einzureichenden Unterlagen möchte und insbesondere erfahren will, ob das jeweilige Land ein Ehefähigkeitszeugnis kennt oder nicht, ohne sich an das Standesamt zu wenden, kann auf der Internetseite des Oberlandesgerichts Stuttgart wichtige Informationen über viele Staaten erhalten. In der Länderliste sind die Unterlagen aufgeführt, die von dem jeweiligen Staat ausgestellt werden. Man erhält so einen ersten Überblick, welche Unterlagen benötigt werden. Dennoch ist diese Liste nur für den Gerichtsbezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart abschließend und es ist daher zu empfehlen, mit dem zuständigen Standesamt (Standesamt des Wohnsitzes des Ehegatten) Rücksprache zu halten, um zu erfahren, ob die in der Liste angegebenen Unterlagen vollständig sind.
Apostille
- Die Personenstandsurkunden sind dann mit einer Apostille zu versehen, wenn der Staat, der die Urkunden ausstellt Vertragsstatt des multilateralen Übereinkommens-Nr. 12 der Haager Konferenz aus dem Jahr 1961 ist. Die Apostille ist eine Beglaubigungsform die in den Vertragsstaaten eingeführt wurde und der Vereinfachung im Rechtsverkehr dienen soll. Vereinfachung deshalb, weil eine Befreiung der öffentlichen Urkunde von der diplomatischen Beglaubigung oder Legalisation hierdurch entsteht. Die Apostille wird von ausländischen Behörden selbst angebracht die der ausstellenden Behörde übergeordnet sind. Hierdurch werden die Echtheit der Unterschrift sowie die Handlungsbefugnis des Unterzeichnenden bestätigt. Zusätzlich kann die Echtheit des Siegels oder des Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist, bestätigt werden. Die Überschrift der Apostille muss stets sein (convention de La Haye du 5 octobre 1961). Diese Überschrift ist zwingend in französischer Sprache vorzunehmen, der Rest kann in der Amtssprache der ausländischen Behörde ausgefüllt sein. Zurzeit sind 99 Vertragsstaaten verzeichnet. Die Anzahl ändert sich jedoch laufend. Die Anbringung von Apostillen ist dann entbehrlich, wenn durch zwischenstaatliche Übereinkommen hiervon befreit wurde. Urkunden die innerhalb der EU ausgestellt wurden und in einem anderen EU-Mitgliedsstaat verwendet werden sollen, benötigen keine Apostille.
Legalisation
- Die Staaten, die nicht Vertragsstaat der Haager Konvention aus dem Jahre 1961 sind, können auch keine Apostille ausstellen. In diesem Fall wird verlangt, dass eine Legalisation durch die deutsche Auslandsvertretung vorgenommen wird. Legalisation bedeutet, dass die Urkunden durch die deutsche Auslandsvertretung im Herkunftsland auf ihre Echtheit hin überprüft werden. Die Deutsche Botschaft vergewissert sich darüber, dass tatsächlich die dazu berechtigte Stelle das Dokument ausgestellt hat. Hier wird nicht der Inhalt der Dokumente überprüft, sondern lediglich die Richtigkeit der Unterschrift bestätigt.
Überprüfung von Personenstandsurkunden im Wege der Amtshilfe
- In vielen Ländern z. B. Westafrikas, die ursprünglich das Legalisationsverfahren kannten, ist dieses mittlerweile abgeschafft worden. Grund hierfür war, dass trotz Legalisation häufig die Urkunden äußerlich korrekt aber inhaltlich zu beanstanden waren. Daher wurde in diesen Ländern das Legalisationsverfahren abgeschafft. Das Standesamt kann eine inhaltliche Überprüfung der Urkunden durch die Deutsche Botschaft anordnen, was in der Regel auch geschieht. Diese inhaltliche Überprüfung wird vom zuständigen Standesamt eingeleitet, das sich im Wege der Amtshilfe an die Auslandsvertretung vor Ort wendet, die dann mit Hilfe eines Vertrauensanwaltes das Personenstandsregister einsieht und Personenbefragungen vornimmt. Dieses Verfahren ist sehr zeit- und kostenintensiv, da hier zum Einen Kosten für die Beauftragung des Vertrauensanwaltes anfallen, und zum Anderen damit zu rechnen ist, dass das Verfahren mehrere Monate beansprucht.
2. Das Verfahren auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses nach § 1309 Abs. 2 BGB
Ein ausländischer Staatsangehöriger, der in Deutschland heiraten will, muss ein sogenanntes Ehefähigkeitszeugnis seines Herkunftslandes vorlegen. Hierdurch soll belegt werden, dass nach dem Recht dieses Staates kein Hindernis für die Eheschließung vorliegt, d.h. die betreffende Person dort nicht verheiratet ist.
Da viele Länder ein solches Ehefähigkeitszeugnis nicht oder nur in unzureichender Form ausstellen, muss der Präsident des Oberlandesgerichts eine Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines solchen Ehefähigkeitszeugnisses erteilen. Man spricht hier von der „Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses“.
Dieses Verfahren schließt sich zur Anmeldung der Eheschließung beim Standesamt an, d.h. der Antrag zur Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses wird vom Standesamt an das Oberlandesgericht, in Berlin an das Kammergericht, weitergeleitet.
Das Verfahren auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses dauert durchschnittlich vier bis sechs Wochen kann sich jedoch auch über mehrere Monate hinziehen, sofern Urkunden beanstandet werden. Auch ist es Gang und Gebe, dass das Kammergericht sofern sich der Antragsteller in Deutschland aufhält in der Regel auch dessen Ausländerakte einsieht. Im Übrigen ist es auch nicht unüblich, dass das Kammergericht, wenn ein Visaverfahren läuft Verbindung mit der Deutschen Botschaft aufnimmt insbesondere auch Überprüfungen anstellt, ob die Notwendigkeit eines Sprachtestes gegeben ist. Darüber hinaus überprüft das Kammergericht, ob mit der Ehe ehefremde Zwecke bezweckt werden. Wenn nach Ansicht des Kammergerichts mit der Eheschließung ehefremde Zwecke beabsichtigt sind, d. h. die Eheschließung ausschließlich aufenthaltsrechtliche Motive hat, wird die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses nicht erteilt. Indizien für rein aufenthaltsrechte Motive sind z. B. wenn sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Eheleuten bestehen, wichtige Personendaten sind nicht bekannt wie Name, Familienstand, Alter und ein hoher Altersunterschied bei den Verlobten besteht oder die Duldung kurz vor dem Ablauf ist. Fragen hinsichtlich des Kennenlernens sowie Einsichtnahme in die Ausländerakte sind daher nicht unüblich.
Da das Verfahren auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses doch eine erhebliche bürokratische Hürde zur Eheschließung in Deutschland darstellt, suchen viele Verlobte nach Alternativen für die Eheschließung. Als Alternative bietet sich die Eheschließung in Dänemark an, wobei hier jedoch zu beachten ist, dass dies nicht die Lösung für jedes Paar ist, da bei einer Eheschließung in Dänemark häufig eine Aufenthaltserlaubnis nicht direkt eingeholt werden kann. Dies gilt jedenfalls für die Fälle, die mit einem Schengen-Visum nach Deutschland gekommen sind. Insbesondere ist die Eheschließung in Dänemark auch keine Lösung für diejenigen, die nur über eine Duldung bzw. keinen Aufenthaltsstatus in Deutschland verfügen. Die Dänen verlangen eine ordnungsgemäße Einreise nach Dänemark.
3. Vorteile für die Eheschließung in Dänemark
Die Eheschließung in Dänemark bringt viele Vorteile mit sich. Sie ist unbürokratischer und kann daher schon nach kurzer Zeit vorgenommen werden. Jedoch gelten auch hier die gleichen Ehehindernisse, wie Unmündigkeit, Verwandtschaft oder Bigamie, wie in Deutschland, die eine Ehe unwirksam machen. Daher kann allenfalls nur von einer schnelleren Heirat in Dänemark gesprochen werden, nicht aber von einer „leichteren“ bzw. eine Eheschließung mit weniger Auflagen.
Sollte man sich aufgrund dieser Vorteile für eine Eheschließung in Dänemark entscheiden, braucht man als deutscher Staatsangehöriger bzw. Als EU-Angehöriger lediglich die Geburtsurkunde und eine Meldebescheinigung (Aufenthaltsbescheinigung), aus der der Familienstand und die Anschrift hervorgeht.
4. Als Nicht-EU-Angehöriger in Dänemark heiraten
Es sind die Geburtsurkunde dann die Aufenthaltsbescheinigung und Ledigkeitsbescheinigung notwendig. Ist einer der beiden zukünftigen Ehegatten schon einmal zuvor verheiratet gewesen, ist auch eine Bescheinigung über die Scheidung, bzw. Auflösung der Ehe notwendig.
Es ist keine Eheschließung für sich in der Europäischen Union aufhaltende illegale Ausländer möglich, da eine Aufenthaltsbescheinigung von dänischer Seite verlangt wird. Es wird in jedem Fall der legale Aufenthalt in Dänemark gefordert! Somit ist z.B. eine Eheschließung eines Ausländers, der in Deutschland Asylbewerber ist oder sich aufgrund einer Duldung in Deutschland aufhält, nicht möglich.
Bei ausländischen Dokumenten ist darauf zu achten, dass diese beglaubigt (durch Apostillen) und auch die Übersetzungen von einem zugelassenen Übersetzer beglaubigt sind. Dokumente in englischer und dänischer Sprache sind ohne Übersetzung anerkannt.
5. Heirat bei illegalem Aufenthalt
Eine Heirat bei illegalem Aufenthalt ist zwar gesetzlich nicht untersagt, jedoch praktisch kaum möglich. In Deutschland wird eine Anmeldung in das Melderegister verlangt, darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass das Standesamt bei dem illegalen Aufenthalt dies der Ausländerbehörde mitteilen wird. Die Absicht zur Eheschließung ist jedoch aufenthaltsrechtlich noch nicht geschützt. Das heißt selbst wenn es dem Paar gelingen sollte die Eheschließung anzumelden, so ist dies nicht ausreichend, um in Deutschland etwa eine Duldung oder Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Vielmehr entsteht nach der Rechtsprechung nur dann ein konkretes Abschiebungshindernis, wenn die Eheschließung unmittelbar bevor steht. Unter unmittelbarem bevorstehen der Eheschließung ist zu verstehen, dass z. B. der Eheschließungstermin feststeht bzw. zu mindestens das Verfahren auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses schon abgeschlossen ist, da im Anschluss hieran der Heiratstermin mit dem Standesamt abgestimmt werden kann.
6. Visum zum Zweck der Eheschließung
Lebt der Verlobte im Ausland und soll die Eheschließung in Deutschland stattfinden, so sollte zunächst die Eheschließung angemeldet werden. Der deutsche Verlobte muss vor dem Standesamt seines Wohnsitzes erklären, dass er heiraten möchte, und dass der Verlobte im Ausland lebt. Das Standesamt verlangt in diesen Fällen in der Regel eine Beitrittserklärung zur Anmeldung der Eheschließung aus dem Ausland des nicht anwesenden Verlobten. Diese Erklärung beinhaltet, dass er mit der Anmeldung der Eheschließung durch den anderen Verlobten einverstanden ist. Die Beitrittserklärung geht zusammen mit den für die Anmeldung der Eheschließung erforderlichen Unterlagen an das Standesamt oder an den deutschen Verlobten zurück. Der deutsche Verlobte kann dann unter Vorlage dieser Unterlagen und der eigenen Dokumente die Eheschließung anmelden. Parallel hierzu wird der Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Eheschließung bei der Deutschen Botschaft gestellt. Sofern die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses erteilt wird bzw. ein Ehefähigkeitszeugnis vorgelegt wird und somit die formalen Bedingungen für die Eheschließung vorliegen und ein Krankenversicherungsnachweis sowie der Nachweis über die ausreichende Sicherung des Lebensunterhalts in Form einer Verpflichtungserklärung vorgelegt werden kann, steht dem Visum zum Zweck der Eheschließung nichts entgegen. Wenn die Behörden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Eheschließung haben, kann die deutsche Auslandsvertretung oder die Ausländerbehörde, die ebenfalls am Visumsverfahren beteiligt ist, parallel Befragungen durchführen.
Zu beachten ist aber, dass das Verfahren zur Erteilung eines Visums zum Zwecke der Eheschließung ein zeitaufwendiges Verfahren ist, auch im Hinblick darauf, dass hier mehrere Behörden, nämlich die Deutsche Botschaft, das Standesamt, das Kammergericht als Justizbehörde sowie die Ausländerbehörde beteiligt sind.
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass für dieses Visum auch der Spracherwerb erforderlich ist. Es muss grundsätzlich eine Goethezertifikat der Stufe A1 vorgelegt werden (vgl. hierzu Punkt 5.). Zum Spracherwerb beim Visum zum Ehegattennachzug sind aber EU-Angehörige ausgeschlossen, da durch die Entscheidung des EUGH Metock und andere (Rechtssache C-127/08) klargestellt wurde, dass unter Familienangehörigen im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG auch die Drittstaatsangehörigen zusehen sind, die vor der Eheschließung mit einem Unionsbürger in ein Aufnahmemitgliedsstaat eingereist sind, bzw. einreisen.
7. Familienvisum zum Familiennachzug
Wenn die Eheschließung im Ausland erfolgt ist, ist grundsätzlich ein Visum zum Familiennachzug notwendig, um im Anschluss daran in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Zunächst muss daher ein Antrag auf Ausstellung eines Visums bei der Deutschen Botschaft im Ausland gestellt werden. Hierzu werden die Antragsformulare verwendet, die man sich auch z. B. auf der Internetseite der Ausländerbehörde Berlin herunterladen kann (Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, ). Die Deutsche Botschaft nimmt das Antragsformular zusammen mit sämtlichen Unterlagen entgegen und leitet die Akte an die örtliche Ausländerbehörde weiter. Zuständig ist die Ausländerbehörde in der Region, in die der Nachziehende künftig wohnen wird. Die Ausländerbehörde muss dann die Zustimmung zur Erteilung des Visums geben. In der Regel überprüft sie z. B. ob die Voraussetzung zur Lebensunterhaltssicherung vorliegt bzw. ob der Ehegatte der vor Ort lebt nach wie vor die Einreise des anderen wünscht. Häufig wird auch in Kooperation mit der Deutschen Botschaft überprüft, ob ein Verdacht auf Scheinehe gegeben ist. Werden solche Überprüfungen angestellt, werden die Eheleute getrennt befragt, d. h. es findet eine Befragung bei der Deutschen Botschaft und eine Befragung bei der Ausländerbehörde statt.
Vorteil dieses Visums ist, dass die Eheleute schon verheiratet sind und nach Art. 6 GG einen verfassungsrechtlichen Schutz genießen, in vielen Fällen besteht hier ein Rechtsanspruch auf Einreise. Dies ist anders als bei dem sogenannten Heiratsvisum.
8. Familiennachzug und Sprachkenntnisse (§ 30 Abs. 1 Nr. 2, § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG)
Der Ehegattennachzug, nicht jedoch der Nachzug eines Elternteils zu einem hier lebenden Kind, ist nunmehr vom Nachweis einfacher Deutschkenntnisse abhängig. Hiermit sind Sprachkenntnisse auf der Kompetenzstufe A1 gemeint. Dazu gehört, dass vertraute tägliche Ausdrücke verstanden und verwendet werden können (z. B. nach dem Weg fragen, einkaufen). Die Goethe-Institute oder einer ihrer Lizenznehmer bieten Kurse an, die hierauf vorbereiten. Diese Sprachkenntnisse sind bei Antragstellung des Visums durch ein Zertifikat (Start Deutsch 1) des Goethe-Instituts nachzuweisen, gibt es kein Goethe-Institut, stellt die Deutsche Botschaft die Sprachkenntnisse fest. Dies erscheint jedoch äußerst zweifelhaft, da die Voraussetzungen zum Erlernen der Sprache in diesem Fall nicht gewährleistet werden. Gibt es keine Goethe-Institute, wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf die Radio- und Internetangebote der Deutschen Welle verwiesen (verwaltungsgerichtliche Informationen des Bundesamtes für Migration unter www.integration-in-deutschland.de). In der Verwaltungspraxis wird aber häufig durch die Deutsche Botschaft auf ein Goethe-Institut eines Nachbarlandes verwiesen. Das Erfordernis der Sprachkenntnisse betrifft sowohl den Nachzug zu hier lebenden Ausländern als auch den Familiennachzug zu Deutschen, wohingegen der Nachzug zu Unionsbürgern und Staatsangehörigen aus Australien, Israel, Japan, Kanada, Südkorea, Neuseeland, der Schweiz und den Vereinigten Staaten ohne ein derartiges Erfordernis zuzulassen ist.
Privilegiert sind auch diejenigen, die einen Hochschulabschluss nachweisen können bzw. (hoch) qualifizierte Arbeitnehmer sind oder bei denjenigen, bei denen erkennbar geringer Integrationsbedarf besteht. Befreit sind auch die, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Weiterhin ausgenommen ist der Nachzug zu Ehegatten, bei denen der Ehegatte bereits eine Aufenthaltserlaubnis als Hochqualifizierter, Forscher, Firmengründer, Asylberechtigter, anerkannter Flüchtling bzw. als Daueraufenthaltsberechtigter eines anderen EU Staates besitzt. Der Spracherwerb vor der Einreise stößt bei vielen auf verfassungsrechtliche Bedenken und dürfte auch das Diskriminierungsverbot verletzen, weil einerseits der Ehegattennachzug zu Deutschen von Spracherfordernis abhängig gemacht wird, anderseits der Nachzug zu Unionsbürgern und privilegierten Staatsangehörigen ohne diesen Nachweis zugelassen wird. Insbesondere ist dies möglicherweise auch nicht mit der Richtlinie (Art. 7 Abs. 2 RL 2003/86/EG Familienzusammenführungsrichtlinie) vereinbar, denn diese Richtlinie eröffnet den Mitgliedsstaaten nur die Möglichkeit, nach ihrem nationalen Recht zu regeln, dass nachziehende Ehegatten Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen, wobei die gemeinschaftsrechtliche Regelung jedoch keine Rechtsgrundlage dafür ist, dass bei anfänglichem Fehlen dieser Leistungen die Einreise zu sperren ist. Die Mitgliedstaaten können nach dem Wortlaut der RL gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen lediglich verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen (verwaltungsgerichtlich Marx, Inf. AuslR. 2007, 413,416).
Zum Spracherwerb gibt es folgende Rechtsprechung:
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat Ende April 2009 entschieden, dass die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug verfassungskonform sind (AZ: Oberverwaltungsgericht 2 B 6.08). In diesem Fall wurde einer indischen Staatsangehörigen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu ihrem deutschen Ehemann versagt, weil sie nicht die erforderlichen Sprachkenntnisse nachweisen konnte. Die Vorinstanz, das Verwaltungsgericht Berlin hatte kritisiert, dass eine Verständigung mit der Klägerin auf einfache Art in deutscher Sprache nicht möglich sei, da sie keine Sätze mit Subjekten, Prädikaten und Objekten bilden und entsprechende Sätze mit geläufigen Alltagsbegriffen mehr als nur selten verstehen könne. Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass die Klägerin nur einzelne deutsche Worte sagen nicht aber einfache Sätze sprechen könne.
Die Klägerin hatte einen dreimonatigen, täglich drei Unterrichtsstunden dauernden Sprachkurs besucht. Ihre anschließenden Versuche, den Test SD1 zu bestehen, blieben jedoch erfolglos. Entgegen dem Verwaltungsgericht führt das Oberverwaltungsgericht aus, dass eine genaue grammatikalische Beschreibung der Anforderungen, wie sie das Verwaltungsgericht im Ausgangsurteil vorgenommen hat (Fähigkeit zur Bildung und zum Verständnis von Sätzen mit Subjekt, Prädikat und Objekt) erhöht die Ansprüche an das erforderliche Sprachniveau, ohne dass dafür Anlass besteht. Weiterhin wird jedoch festgestellt, dass die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache zu verständigen zu können, auch eine einfache schriftliche Verständigung in deutscher Sprache umfasst. Diese Forderung aufzustellen entspreche der Integrationsforderung. Um ihn zu erreichen, ist die Fähigkeit, einfache Texte in deutscher Sprache lesen und schreiben zu können, von besonderer Bedeutung. Nicht nur im Umgang mit Behörden, sondern auch zur Teilhabe an sonstigem sozialen Miteinander und dem wirtschaftlichen Leben in Deutschland erscheint die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben geradezu unabdingbar. Klarstellend führt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg weiterhin aus, dass der Nachweis einfacher Sprachkenntnisse nicht auf die Vorlage eines Zertifikats SD1 des Goethe-Instituts oder der von diesem lizensierten Partner beschränkt sei. Das Erfordernis eines in dieser Art spezifizierten Nachweises lässt sich weder dem Gesetz entnehmen noch dürfte es geboten sein. Dies sei der Fall, wenn bei offensichtlich vorhandenen, im Gespräch mit behördlichen Mitarbeitern belegten Sprachkenntnissen auf die Vorlage eines Zertifikats verzichtet wird. Nach Auffassung des Senats gelten einfache Sprachkenntnisse jedenfalls als nachgewiesen, wenn ein solches Zertifikat vorgelegt wird. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg stellt weiterhin in seiner Entscheidung fest, dass die Klägerin die entsprechenden Nachweise nicht geführt habe, da sie weder die Vorlage eines SD1 Zertifikats noch auf andere geeignete Weise nachgewiesen habe, dass sie die genannten Mindestanforderungen erfülle.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung (BVerwG 1 C 8.09) den Sprachtest bestätigt und am 30.03.2010 entschieden, „ein Anspruch auf Ehegattennachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden Ausländer setzt voraus, dass der nachziehende Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Diese Regelung verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen das Gemeinschaftsrecht“. Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige und ihre fünf Kinder begehrten die Erteilung von Visa zum Zwecke des Familiennachzuges zu ihrem türkischen Ehemann und Vater. Der Ehemann lebte seit 1998 in Deutschland, zunächst als Asylbewerber und von 2001 bis 2006 als Ehemann einer deutschen Staatsangehörigen. Inzwischen ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nach Scheidung von seiner deutschen Ehefrau heiratete er im Dezember 2006 die Mutter seiner Kinder, die Klägerin. In den Jahren zuvor besuchte er seine Familie regelmäßig in der Türkei. Die Visaanträge lehnte die Deutsche Botschaft in Ankara 2008 ab. Auch die Klage beim Verwaltungsgericht hatte keinen Erfolg, weil die Klägerin nach eigenen Angaben Analphabeten war und über keine Deutschkenntnisse verfügte. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verstößt das Erfordernis von Sprachkenntnissen nicht gegen den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) weil das öffentliche Interesse der Integration und Verhinderung von Zwangsehen Vorrang habe. Insbesondere haben das Bundesverwaltungsgericht sowie das OVG Berlin klargestellt, dass die Verständigung in deutscher Sprache auf einfache Art auch Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache voraussetzt.
Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass eine Chance auf ein Visum nur dann besteht, wenn der Sprachtest bestanden wurde. Jegliche Rechtsmittelversuche werden ohne Erfolg bleiben.
9. Familiennachzug oder Ehegattennachzug und Scheinehen (§ 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG)
Nach dieser Vorschrift soll der Ehegattennachzug nur ausgeschlossen werden, wenn feststeht, dass eine Scheinehe vorliegt. Damit sollte es künftig für die Behörde schwerer werden, wegen des Verdachts auf Scheinehe ein Visum bzw. eine Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Bislang verstößt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen Art. 6 GG, wenn der nachzugswillige ausländische Ehepartner für seine Absicht, mit seiner deutschen Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen und zu führen, beweisbelastet ist. Er muss somit den Vorwurf der Scheinehe entkräften. Für die Behörde ist es ausreichend, dass sie konkrete Anhaltspunkte hat. Nach der neuen Vorschrift, wonach die Scheinehe festzustehen hat, war zu vermuten, dass eventuell die Anforderungen, die an die Behörde gestellt werden, höher sein werden. Mit Urteil vom 29.01.2009 zum Aktenzeichen 2 B 11.08 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass die Beweislast nach wie vor für das Nichtvorliegen einer Scheinehe beim Ausländer liegt. Das Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg stellt fest, dass für den Ehegattennachzug der Wille beider Ehegatten, eine eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich herzustellen und zu führen, erforderlich ist.
Ist eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht bezweckt, was auch der Fall sei, wenn nur ein Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft herstellen und wahren wolle, liegen erste Anhaltspunkte vor, die dafür sprechen, dass den Eheleuten der Wille fehle, eine schütz-enswerte eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen, tragen sie die Beweislast hierfür, dass dem nicht so ist. So z.B. unterschiedliche Angaben zum Zusammenleben oder Kennenlernen. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ist auch ein erheblicher Altersunterschied von 22 Jahren ein solcher Anhaltspunkt. Eine gegenüber dem Ehemann deutlich ältere Ehefrau im islamischen Kulturkreis sei dort unter Anderem mit Blick auf das dann hinsichtlich der Gebärfähigkeit bestehende Risiko nicht nur unüblich sondern praktisch ausgeschlossen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg geht davon aus, dass sich die Beweislast zu Lasten der Behörde nicht verändert hat. Wird die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug begehrt, trifft den Ausländer weiterhin die materielle Beweislast für den nach wie vor zu prüfenden Herstellungswillen.
10. Visum zur Einreise wegen bevorstehender Geburt eines Kindes
Werdenden Eltern eines deutschen Kindes kann auf Grund des Schutzgebots des Art. 6 GG ein Visum zur Einreise auf Grundlage des künftigen Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erteilt werden. Dies gilt sowohl für werdende Mütter als auch für werdende Väter.
Nach den Verwaltungsvorschriften 28.1.4 wird für eine Schwangere in der Regel eine Einreise zwischen dem viertem und dem Ende des siebten Schwangerschaftsmonats ermöglicht. Hierbei ist die Reisefähigkeit zu berücksichtigen. Einem werdenden Vater ist die Einreise so rechtzeitig zu ermöglichen, dass er bei der Geburt anwesend sein kann.
Für diese Art von Visum ist es wichtig, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der hervorgeht, dass eine Schwangerschaft besteht, darüber hinaus ist eine Vaterschaftsanerkennungserklärung förderlich. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 13.03.2009 – 11 S 18.09 – (1 S.M15653) den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 08.03.2009 – 10 L 53.08 V – (4 S.M15654) bestätigt. Es wurde anerkennt, dass dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung zur Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Der Umstand, dass das Kind als Rechtspersönlichkeit noch nicht vollständig existiert und zurzeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland noch nicht begründet hat, steht der Anwendung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht entgegen. Auch wenn dies im § 28 AufenthG nicht ausdrücklich geregelt ist, kann in diesem Fall im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis im Ermessenswege erteilt werden. Der Schutzbereich des Grundrechts des Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der stattlichen Ordnung stehen, umfasst sowohl die Beziehung des Antragsstellers zu seiner kurz vor der Entbindung stehenden Ehefrau, wie auch – damit notwendig und unmittelbar einhergehende – eine Beziehung zu seinem kurz vor der Geburt stehenden Kind.
Wie in den Verwaltungsvorschriften unter Punkt 28.1.4 aufgeführt, wird die Aufenthaltserlaubnis selbst nach der Geburt erteilt.
11. Geburt eines Kindes im Bundesgebiet (§ 33 AufenthG)
Hiernach wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlerhaft umgesetzt, wonach ein Kind sein Aufenthaltsrecht vom Vater ableiten kann, denn nach der bisherigen Regelung leitete ein Kind sein Aufenthaltsrecht stets nur von der Mutter ab. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass dies nicht verfassungsgemäß ist. (Verwaltungsgerichtl. BVerfG, zweiter Senat, B. v. 25.10.2005)
Wichtig bleibt noch zu erwähnen, dass die Aufenthaltserlaubnis auch in diesen Fällen zu erteilen ist, wenn keine familiäre Lebensgemeinschaft mit den Eltern oder einem Elternteil besteht, etwa wenn ein Kind in einem Heim oder Pflegeheim untergebracht ist. Auch keine Voraussetzung ist das Vorliegen ausreichenden Wohnraums bzw. die Einkünfte der Eltern bzw. ausreichende Einkünfte der Eltern zur Sicherung des Lebensunterhalts.
12. Visapflicht bei Eheschließung in Dänemark nach der Einreise ins Schengengebiet
Von dem Grundsatz, dass ein Ausländer für die Einreise in das Bundesgebiet eines Visums bedarf, wird unter anderem in § 39 Nr. 3 AufenthaltsV eine Ausnahme gemacht, die es dem Ausländer ermöglicht, die Aufenthaltserlaubnis direkt im Bundesgebiet einzuholen. § 39 AufenthaltsV wurde durch Art. 7 Abs. 4 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 geändert. Hiernach kann ein Ausländer, der visafrei ins Bundesgebiet oder mit einem gültigen Schengenvisum für kurzfristige Aufenthalte ins Bundesgebiet einreist, eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.
Problematisch sind aber die Fälle, wenn jemand mit einem Schengenvisum in die Bundesrepublik Deutschland einreist, dann in Dänemark heiratet und direkt bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis beantragt. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 AufenthaltsV besteht nur dann die Möglichkeit eine Aufenthaltserlaubnis direkt einzuholen, sofern die Voraussetzungen für den Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise entstanden sind.
Wer ein gültiges Schengenvisum für kurzfristige Aufenthalte besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt waren, kann nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 39 Nr. 3 2. Alternative AufenthaltsV, wenn er im Besitz eines gültigen Schengenvisums für einen Kurzaufenthalt ist, die Aufenthaltserlaubnis direkt im Bundesgebiet einholen. Hierfür spricht zwingend, dass jeder Inhaber eines Schengenvisums unabhängig von dem mit der Einreise subjektiven Aufenthaltszweck, selbst wenn dieser auf einen Daueraufenthalt gerichtet, von der Regelung erfasst wird und die Vorschrift so auszulegen ist, dass nach der Einreise in das Schengengebiet gemeint ist.
Mittlerweile gibt es eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16.07.2009 zum Aktenzeichen 2 B 19/08 zu dieser Problematik, die leider nicht der oben erwähnten Ansicht folgt. Das OVG Berlin-Brandenburg folgt damit der in der Rechtsprechung vorherrschenden Ansicht. In der zitierten Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht klargestellt, dass es bei der Frage, ob die Voraussetzung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis um Sinne von § 39 Nr. 3 AufenthV nach der Einreise entstanden sind, es auf die Einreise in das Bundesgebiet und nicht auf die Einreise in den Schengen-Raum ankommt.
Der Ausgangfall war wie folgt: Die Klägerin ist weiß-russische Staatsangehörige und reiste im August 2007 mit einem gültigen Schengen-Visum nach Deutschland ein. Während des noch gültigen Schengen-Visums heiratete sie am 06.09.2007 in Dänemark einen deutschen Staatsangehörigen, kehrte unmittelbar nach der Heirat nach Deutschland zurück und beantragte am 18.09.2007 dann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Ausländerbehörde Berlin lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei ohne das erforderliche Visum eingereist. Zudem könne der Aufenthaltserlaubnis nicht gemäß § 39 Abs. 3 AUfenthV im Bundesgebiet beantragt werden, da die Ehe vor der Wiedereinreise aus Dänemark geschlossen worden sei. Grundsätzlich war hier zu sagen, dass die Klägerin nicht mit dem erforderlichen Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG eingereist ist, denn die Klägerin strebte einen Daueraufenthalt für das Schengen-Visum an, das ausschließlich touristischen Zwecken diente. Die nationale Visumspflicht gilt jedoch dann nicht, soweit der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis gem. 99.1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit §§ 39 ff der AufenthV die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise einholen kann. Nach § 39 Nr. 3 AufenthV ist die Klägerin aber von der Visumspflicht nach Ansicht des OVG Berlin-Brandenburg nicht befreit.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16.11.2010 zum AZ – 1 C 17.09 – diese Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg bestätigt. Dies ergibt sich laut BVerwG. unabhängig von dem Streit des Begriffs der Einreise, denn die Klägerin hat bei der Beantragung des Schengen-Visums angegeben nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen, obwohl sie von vorneherein dauerhaft in Deutschland bleiben wollte. Nur die Ausländer sollen begünstigt werden die im Schengen-Visumsverfahren zutreffende Angaben gemacht haben und bei denen sich erst nach der Einreise neue Umstände ergeben haben. In die gleiche Richtung geht die Entscheidung des BVerwG. vom 12.03.2009 und vom 11.01.2011 (vgl. Pressemitteilung 3/2011).
Privilegiert sind nach § 39 Abs. 3 AufenthV nur Staatsangehörige eines der im Anhang 2 der EG Visaverordnung aufgeführten Staaten (sogenannte Positiv-Staatler) die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten oder ein Ausländer der im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte ist und die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise entstanden sind. Das OVG Berlin-Brandenburg begründet seine Ansicht damit, dass der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erst nach der Einreise entstanden sei, da es bei dem beabsichtigten Daueraufenthalt auf die letzte, vor der Antragstellung erfolgte Einreise in das Bundesgebiet und nicht auf die Einreise in den Schengen-Raum ankommt. Hierfür spräche insbesondere die Systematik, wonach die Norm im 4. Abschnitt der AufenthV angesiedelt sei, der die „Einholung des Aufenthaltstitels im Bundesgebiet“, d.h. die Erteilung/Verlängerung nationaler Aufenthaltserlaubnisse betrifft. Entsprechend beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Befreiung der gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für längerfristige Aufenthalte geltenden nationalen Visumspflicht.
13. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Zusammenhang mit einem deutschen Kind ist nicht unbedingt, dass der Elternteil mit dem Kind zusammenlebt. Vielmehr wird gefordert, dass die Personensorge ausgeübt wird. Hierunter ist grundsätzlich zu verstehen, dass der Elternteil Inhaber des Sorgerechts ist. Er kann selbstverständlich das Sorgerecht mit dem anderen Elternteil teilen. Notwendig ist aber auch, dass der Elternteil darüber hinaus Umgang mit dem Kind hat.
Fehlt es am Sorgerecht des Elternteils, so kann im Ermessenswege auch eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Hier sind dann insbesondere zu berücksichtigten:
- ob das deutsche Kind in seiner Entwicklung auf den ausländischen Elternteil angewiesen ist, also das Kindeswohl,
- der nicht sorgeberechtigte Elternteil seit der Geburt des Kindes seinen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nachgekommen ist,
- das Kindeswohl einen auf Dauer angelegten Aufenthalt des nicht sorgeberechtigten Elternteils im Bundesgebiet erfordert.
14. Aufenthaltsrecht wegen eines ausländischen Kindes
Ein Aufenthaltsrecht von einem Kind, das nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt, kann nur über den Auffangtatbestand des § 25 Abs. 5 AufenthG abgeleitet werden. Es gibt sonst keine ausdrückliche Regelung, die dies vorsieht.
BINATIONALE KINDER AUS JURISTISCHER SICHT BETRACHTET
Seminar zum Thema „Binationale Kinder aus juristischer Sicht betrachtet“
von Svenja Schmidt-Bandelow (gehalten am 21. Juni 2018, Veranstalter: Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF))
Was versteht man unter binationalen Familien?
Binationale Familien und Partnerschaften sind Lebensgemeinschaften mit Partnern unterschiedlicher
Staatsangehörigkeiten.
Binationale Ehen sind Ehen, in denen die Partner unterschiedliche Staaten angehören.
Binationale Kinder sind Kinder mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten
Im Gegensatz dazu gibt es noch die Begrifflichkeit Bikulturelle- interkulturelle Lebensgemeinschaften: Also Lebensgemeinschaften, in denen die Partner unterschiedlichen kulturellen Hintergrund haben.
Bezeichnet die Ehe zwischen Angehörigen unterschiedlicher Nationalitäten, Ethnien oder Kulturen. Die religiöse Weltanschauung spielt keine primäre Rolle.
Als bikulturell bezeichnet man Menschen, die mit zwei Kulturen aufwachsen. In interkulturellen Familien sind Kinder daher typischerweise bikulturell.
Binationale in Deutschland Quelle: Statistisches Bundesamt 2016 sind ein Teil unserer Gesellschaft. Offene Grenzen, Urlaubs-, Arbeits- und Studienaufenthalte im Ausland sowie die Anwesenheit von Migrant/innen und Flüchtlingen lassen die Zahl der binationalen Ehen in Deutschland weiter steigen.
Menschen mit Migrationshintergrund
Seit 2005 führt das Statistische Bundesamt einen Mikrozensus (= Hochrechnung auf Grundlage einer Befragung von 1% der Bevölkerung) durch, um den Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund zu ermitteln: Sie besteht aus den seit 1950 nach Deutschland Zugewanderten und deren Nachkommen.
Diese Zahl lag im Jahr 2015 bei gut 17,1 Millionen Menschen. Das entsprach einem Anteil von 21,0 % an der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Die Mehrheit, nämlich 9,3 Millionen Menschen, hatte einen deutschen Pass, während circa 7,7 Millionen Ausländerinnen und Ausländer waren. Ein Drittel aller Menschen mit Migrationshintergrund sind in Deutschland geboren, etwa zwei Drittel (66,9%) sind zugewandert.
Eheschließungen: Quelle: Statistisches Bundesamt 2016
Im Jahr 2015 wurden in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 400.115 (2014: 385.952) Ehen geschlossen. Davon waren: 343.967/ 86 % (2014: 331.479/ 85,9 %) deutsch-deutsche Ehen,
56.148 / 14% Eheschließungen mit ausländischer Beteiligung ( 2014: 54.473 / 14,11 %) und 45.915/ 11,4% (2014: 44.961 / 11,6%) binationale Eheschließungen mit deutscher Beteiligung;
Dabei gab es folgende Konstellationen:
Frau deutsch / Mann nichtdeutsch 20.182 / 5% (2014: 19.524 / 5%) Mann deutsch / Frau nichtdeutsch 25.733 / 6,4% (2014: 25.437 / 6,6%)
Damit war im Jahr 2015 etwa jede 9. Eheschließung eine binationale.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Eingebürgerte als Deutsche zählen – dass also zahlreiche Ehen von Menschen „mit Migrationshintergrund“ als deutsch-deutsche Ehen gelten, auch wenn sie in ihrer Lebenspraxis durchaus binational/bikulturell sind.
2015 gab es 10.233/ 2,6% (2014: 9.512/ 2,5%) Eheschließungen, bei denen beide Partner eine ausländische Staatsangehörigkeit haben.
Wie im Vorjahr wählten Frauen und Männer ihre Ehegatt/innen vorzugsweise aus den gleichen Staaten. Deutsche Frauen bevorzugen mit Abstand türkische Partner, gefolgt von Partnern aus Italien und den USA. Deutsche Männer wählen ihre Partnerinnen überwiegend aus der Türkei, Polen und osteuropäischen Ländern, Asien und anderen EU-Staaten.
Die Anzahl der eingetragenen Lebenspartnerschaften wurde statistisch nicht erhoben.
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit:
1. Grundsatz durch Geburt:
Ein Kind erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch mit der Geburt, sofern ein Elternteil deutscher Staatsangehöriger ist (§ 4 Abs.1 S.1 StAG). Ist nur der Vater Deutscher und das Kind nicht ehelich, so bedarf es einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung.
Wichtig bleibt hier anzumerken, dass dies auch gilt, wenn das Kind gleichzeitig unmittelbar durch die Geburt die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erwirbt. Dies ist bei binationalen Kindern der Fall, da der andere Elternteil über die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes verfügt oder sogar Doppelstaater ist. Die Staatsangehörigkeit wird also automatisch mit der Geburt ohne Antrag erworben. Die Ausstellung eines Passes dient lediglich zur Glaubhaftmachung des Besitzes der Staatsangehörigkeit. Der Staatsangehörigkeitsausweis dient bei Zweifeln als Beleg über die deutsche Staatsangehörigkeit.
Dieser Grundsatz gilt aber nicht für nicht-eheliche Kinder, die vor dem 1.07.1993 geboren wurden. Das damals maßgebliche Recht nach dem Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetz stellte einzig und allein auf die Staatsangehörigkeit der Mutter ab. Somit konnte die deutsche Staatsangehörigkeit für ein nicht-eheliches Kind nur dann erworben werden, sofern die Mutter Deutsche war. War nur der Vater deutscher Staatsangehöriger, trat nicht automatisch der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ein. Dies konnte nur durch entsprechende Erklärung des gesetzlichen Vertreters vor der Vollendung des 23. Lebensjahres nachgeholt werden. Diese Fälle beschäftigen uns heute wegen des Zeitablaufs nur noch dann, sofern Zweifel am Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit bestehen und ein Verfahren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit betrieben wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass bei ehelichen Kindern, die vor 1975 geboren wurden, die Staatsangehörigkeit nur durch den Vater vermittelt werden konnte.
Für im Ausland geborenen Kinder von deutschen Staatsangehörigen sieht nunmehr § 4 Abs.4 StAG eine Einschränkung vor. Wird ein Kind im Ausland geboren und ist der Elternteil, von dem das Kind die Staatsangehörigkeit ableitet, selbst im Ausland geboren, wird die deutsche Staatsangehörigkeit dann nicht vermittelt, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31.12.1999 im Ausland geboren wurde und der deutsche Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.
Diese Rechtsfolge kann aber dadurch abgewendet werden, indem der deutsche Elternteil gegenüber der deutschen Botschaft eine entsprechende Erklärung abgibt und die Geburt des Kindes iSd. § 4 Abs.4 StAG innerhalb eines Jahres dort anzeigt, also einen Eintrag der Geburt ins deutsche Geburtenregister beantragt. Praktische Fälle sind hier wohl noch recht selten, da der deutsche Elternteil nach dieser Regelung heute erst 17 Jahre alt ist. Diese Regelung wird aber in der Zukunft zunehmend an Bedeutung erhalten.
2. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt in Deutschland, wenn kein Elternteil über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt:
Diese Regelung gilt seit dem 01.01.2000 und durchbricht das bis dahin ausschließlich geltende Abstammungsprinzip. Nach der Regelung können Kinder auch deren Eltern nicht Deutsche sind, die Staatsangehörigkeit unter gewissen Voraussetzungen erwerben. Dies gilt dann, wenn ein Elternteil bei der Geburt mindestens acht Jahre seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist (vgl. § 4 Abs.3 StAG). Mit Vollendung des 21.Lebensjahres ist zu erklären, ob die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten werden soll und die ausländische aufgegeben wird (Optionspflicht vgl. 29 AufenthG).
Dieser Grundsatz einer Optionspflicht gilt aber seit dem Jahr 2013 nicht mehr, sofern das Kind im Inland aufgewachsen ist.
Also Personen, die bis zur Vollendung des 21.Lebensjahres 8 Jahre im Inland gelebt haben. Weiterhin muss ein Schulabschluss, Abschluss einer Berufsausbildung oder ein sechsjähriger Schulbesuch vorliegen. Wer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der EU oder der Schweiz besitzt ist von der Optionspflicht gänzlich befreit.
3. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei Adoption (§ 6 StAG):
Ein Kind erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit dann, wenn es adoptiert ist und die Adoption noch vor Vollendung des 18.Lebensjahres erfolgt.
Erfolgt die Adoption nach 18, so ist der Erwerb der Staatsangehörigkeit nur möglich, wenn die Adoption mit Wirkung einer Minderjährigenadoption erfolgte.
Beruht die Entscheidung des deutschen Vormundschaftsgerichts allerdings hinsichtlich der Adoption auf ausländischem Adoptionsstatut, so erfolgt der Erwerb der
deutschen Staatsangehörigkeit nur dann, wenn die Wirkungen der Adoption einer deutschen Minderjährigenadotion, im Wesentlichen gleich stehen.
Viele Länder kennen nur schwache Adoptionen (= Beziehungen zur Ursprungsfamilie bleiben bestehen)und keine Volladoptionen.
Im Fall einer schwachen Adoption ist es daher zweifelhaft und muss im Einzelfall geprüft werden.
Namensrecht:
→ richtet sich nach der Staatsangehörigkeit des Kindes, wobei bei Doppelstaatern die deutsche Staatsangehörigkeit Vorrang hat ( Art. 5 Abs.1 EGBGB)
1. zur Staatsangehörigkeit, dem ein Elternteil angehört oder
2.deutsches Recht bei gewöhnlichem Aufenthalt zumindest eines Elternteils im Inland
→ Rechtswahl durch Erklärung des alleinsorgeberechtigten Elternteils oder der sorgeberechtigten Eltern
Vaterschaftsanerkennung:
Bei einem nicht ehelichen Kind wird die Vaterschaft durch Anerkennung (§ 1592 Nr.2) begründet. Hierzu bedarf es einer Erklärung des Vaters sowie der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB). Dieser Vorgang muss öffentlich beurkundet werden. Dies kann beim Jugendamt, Standesamt oder Notar erfolgen.
Das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.7.2017 sieht nun mehr in dem neu geschaffenen § 1597 Abs. 2 Satz 1 BGB vor, dass sofern konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass die Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich erfolgen soll, dies der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen und die Beurkundung auszusetzen ist. Hiernach „soll die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalts des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes StAG zu schaffen“.
Anhaltspunkte sind das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht des anerkennenden oder der Mutter des Kindes (Nr.1), der Anerkennende oder die Mutter oder das Kind einen Asyl Antrag gestellt hat und die Staatsangehörigkeit eines sicheren Herkunftsstaates besitzt oder das Fehlen einer persönlichen Beziehung zwischen dem Anerkennenden und der Mutter und dem Kind. Die Ausländerbehörde, die dann unterrichtet wird, überprüft ob die Vaterschaft missbräuchlich ist (vgl. § 85a AufenthaltsG). Besteht eine leibliche Vaterschaft, so ist diese nicht missbräuchlich. Die Anerkennung der Vaterschaft ist dann in diesem Fall vorzunehmen. Nur wenn die Ausländerbehörde die Missbräuchlichkeit feststellt, kann die Anerkennung der Vaterschaft durch die Behörde oder den Notar abgelehnt werden. Bis zu der Überprüfung der Missbräuchlichkeit ist im Sinne von § 60 a Abs. 2 AufenthaltsG (neu geschaffen) eine Duldung zu erteilen.
Das Gesetz eröffnet Willkür und berücksichtigt nicht das Kindeswohl und ist daher in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu hinterfragen.
Aufenthaltsrecht der Eltern:
1. Visum/ Aufenthaltserlaubnis des Elternteils eines minderjährigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG
Voraussetzungen:
• Lebensunterhaltssicherung nicht erforderlich
• Vaterschaftsanerkennung und gemeinsame Sorgerechtserklärung (Rechtsanspruch). Fehlt die
Sorgerechtserklärung wird nach Ermessen entschieden. Ermessensentscheidung, d. h. entspricht es dem Kindeswohl, dass der ausländische Elternteil in Deutschland lebt und Umgang mit seinem Kind hat.
• deutsche Sprachkenntnisse sind keine Voraussetzung aber Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs. Derzeitige Berliner Verwaltungspraxis ist bei erstmaliger Erteilung eine Aufenthaltserlaubnis für 13 Monaten, wenn das Kind unter 6 Monaten ist, für 18 Monate (Weisungslage der Ausländerbehörde Berlin)
2. Visum zur bevorstehenden Geburt eines deutschen Kindes
Diese Möglichkeit besteht für werdende Mütter (zwischen dem 4. und Ende des 7. Schwangerschaftsmonats) und für den werdenden Vater, damit er bei der Geburt mit anwesend sein kann.
Voraussetzungen:
• ärztliches Attest über die Schwangerschaft
• Vaterschaftsanerkennung mit Sorgerechtserklärung
• Krankenversicherungsschutz und Verpflichtungserklärung
• bei Nachzug des Vaters zeitgleich Befragung der werdenden Eltern ob sozialfamiliäre
Beziehung bezweckt (derzeitige Weisungslage LABO Berlin)
3. Niederlassungserlaubnis
• stellt einen unbefristeten Aufenthaltstitel dar, der als Familienangehöriger eines Deutschen nach drei Jahren (vgl. § 28 Abs.2 AufenthG), sonst nach Ablauf von fünf Jahren Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, erteilt werden kann (vgl. §§ 9,9a AufenthG)
4. Niederlassungserlaubnis gem. § 28 Abs.2 AufenthG
• Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und Bestand der familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind seit drei Jahren und im Zeitpunkt der Antragsstellung Fortbestand
• B1-Kenntnisse der deutschen Sprache
• gesicherter Lebensunterhalt
5. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht im Falle des Aufhebens der familiären Lebensgemeinschaft, wie bei Ehegatten gibt es nicht.
6. Nachzug eines nicht sorgeberechtigten Elternteils eines deutschen Kindes:
• Erteilung im Ermessen, hierbei ist zu prüfen, ob die familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet verwirklicht werden kann.
• ob Beistands-und Betreuunggemeinschaft schon bestehen, d.h. entweder häusliche Gemeinschaft oder Umgang
• Maßstab ist immer das Kind, d.h. ist das deutsche Kind in seiner Entwicklung auf den ausländischen Elternteil angewiesen, insbesondere ob das Kindeswohl dessen Anwesenheit erfordert, ob im Falle eines Wegzugs ein dauerhafter Abbruch der Beziehungen eintreten würde.
Familienrecht für binationale Paare mit Kindern:
Einleitung
In Europa ist mehr als jede zehnte Ehe grenzüberschreitend, in Deutschland sogar jede neunte. Dennoch ist das Familienrecht in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich ausgestaltet. Die Europäisierung beschränkt sich derzeit darauf, europaweit nach einheitlichen Maßstäben zu entscheiden, welches nationale Recht auf eine grenzüberschreitende Partnerschaft Anwendung findet, welche Gerichte im Streitfall entscheiden und wie gerichtliche Entscheidungen anerkannt und durchgesetzt werden.
Seit dem 01.03.2005 gilt unter den Mitgliedsstaaten der EU, außer Dänemark, für die internationale Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus dem jeweils anderen Mitgliedsstaaten für Ehesachen und für die elterliche Verantwortung die Brüssel IIa-VO, die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003. Sie ist in Deutschland unmittelbar geltendes Recht und gegenüber dem FamFG vorrangig (vgl. § 97 FamFG).
A. Internationale Zuständigkeit von Gerichten für Verfahren hinsichtlich der elterlichen Verantwortung
a) Anwendungsbereich
Die Brüssel IIa-VO spricht nicht von dem Begriff der elterlichen Sorge, sondern von der elterlichen Verantwortung. Unter elterlicher Verantwortung ist die Regelung des Sorgerechts sowie des Umgangsrechts zu verstehen. Aber nicht jeder Mitgliedsstaat sieht eine mit nach deutscher Rechtsauffassung vergleichbare Wertung der elterlichen Sorge vor. So wird in vielen Ländern von der elterlichen Verantwortung gesprochen, so z. B. in Italien „resposabolità genitoriale”, in Spanien „patria potestad“, wörtlich übersetzt von der väterlichen Gewalt, in Frankreich ist es die „autorité parentale“, also die elterliche Gewalt. Jeder Mitgliedsstaat regelt somit autonom, seinen Begriff der elterlichen Sorge bzw. elterlichen Gewalt. Entscheidend ist diese Problematik im Falle von Kindesentziehungen, da hier nach dem nationalen Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes zu prüfen ist, ob eine Verletzung der elterlichen Verantwortung vorliegt (vgl. Art. 3 HKÜ).
b) Grundsatzzuständigkeit nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO
Hiernach sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung für das Kind betreffen, die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dem das Kind zur Zeit der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Antragstellung, ein danach erfolgter Umzug berührt daher die internationale Zuständigkeit nicht. Unter gewöhnlichem Aufenthalt ist grundsätzlich der Ort zu verstehen, an dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, also familiär und sozial integriert ist. Hierbei entscheidend sind auch die Umstände und die Gründe für den Aufenthalt im Einzelfall bzw. den Umzug sowie der Wille der Sorgeberechtigten. Zu berücksichtigen sind auch die Dauer, Sprachkenntnisse sowie die familiäre und soziale Bindungen (vgl. OLG Stuttgart in FamRZ 2014, S. 1930 ff). Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes kann schon unmittelbar nach dem Umzug des Kindes begründet werden, wenn nach dem Willen der Eltern feststeht, dass das Kind hier dauerhaft leben soll.
Auch wenn nach dem Plan der Eltern der Aufenthalt nur zeitlich limitiert sein soll, weil zum Beispiel der Arbeitsvertrag eines Elternteilt auf ein oder zwei Jahre befristet ist, wird der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes hierdurch begründet. Allenfalls bei einem befristeten Aufenthalt von weniger oder bis maximal sechs Monate kann daran gedacht werden, dass der gewöhnliche Aufenthalt hierdurch nicht entsteht.
Wichtig ist auch zu wissen, dass ein unrechtmäßiger Umzug, d.h gegen den Willen und ohne Zustimmung des anderen Sorgeberechtigten auch nicht nach sechs Monaten durch bloßen Zeitablauf einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes begründen kann. Erst nach einem Jahr ist dies frühestens möglich, wenn bis zu diesem Zeitpunkt keine Rückführung des Kindes in den bisherigen Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes eingeleitet wurde (vgl. hierzu Art 11 Abs 1 der Brüssel II-a Vo).
c) Zuständigkeit für Abänderungsanträge in Umgangsverfahren nach Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa- VO
Bei Abänderungsanträgen in Umgangsverfahren bleibt es bei einer Zuständigkeit des Gerichts des Aufenthaltsstaates für einen Zeitraum von drei Monaten, der zeitlich ab dem Umzug gilt für eine vor dem Umzug des Kindes ergangene Umgangsentscheidung.
Der Umzug muss aber rechtmäßig sein, das ist der Fall, wenn der Umzug entweder gerichtlich genehmigt wurde oder der andere Elternteil zugestimmt hat. Weiterhin findet Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO nur dann Anwendung, wenn bereits eine Umgangsentscheidung eines Gerichtes im bisherigen Aufenthaltsstaates ergangen ist. Diese Entscheidung muss vor dem Umzug ergangen sein. Im Übrigen wird vorausgesetzt, dass der umgangsberechtigte Elternteil sich weiterhin im bisherigen Aufenthaltsstaat des Kindes gewöhnlich aufhält.
d) Zuständigkeit wegen rügeloser Einlassung in Umgangsverfahren nach Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO
Hiernach wird die Zuständigkeit des Mitgliedsstaates des neuen gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes für Umgangsverfahren dann begründet, wenn der Umgangsberechtigte ohne die Zuständigkeit im Verfahren zu rügen sich auf das Verfahren einlässt.
e) Annexzuständigkeit nach Art. 12 Abs. 1 Brüssel IIa-VO
Ist die Frage der elterlichen Verantwortung mit einem Scheidungsverfahren verknüpft, so besteht eine Zuständigkeit für die Frage der elterlichen Verantwortung als Annex dann, wenn die Parteien die Zuständigkeit des Gerichts anerkannt haben und diese auch im Einklang mit dem Kindeswohl steht. Art. 12 der Brüssel IIa-VO gilt somit nur für die Fälle, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Gerichtsstaat hat.
f) Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 3 Brüssel IIa-VO
In dieser Vorschrift wird geregelt, dass unabhängig von einem Scheidungsverfahren die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaates entstehen kann, in dem das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn eine wesentliche Bindung des Kindes zu diesem Mitgliedsstaat für das konkret anhängige Verfahren besteht, insbesondere weil ein Elternteil dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedsstaates besitzt und die Parteien die Zuständigkeit des Gerichts vereinbart haben und die Zuständigkeit im Einklang mit dem Kindeswohl steht. Ansonsten gibt es nicht die Möglichkeit die Zuständigkeit eines Gerichts für die Regelung der elterlichen Verantwortung zu vereinbaren (vgl. EuGH-Rs C-436/13: E./B in FamRZ 2015 S. 24 ff).
g) Auffangzuständigkeit nach Art. 13 Brüssel IIa-VO
Art. 13 Brüssel IIa-VO stellt eine Auffangregel dar, dann wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht bestimmt werden kann und sich dann die internationale Zuständigkeit des Gerichts aufgrund bloßer Anwesenheit des Kindes bestimmt. Das sind z.B. Fälle, in denen ein Kind ohne Papiere aufgefunden wird und seine Herkunft nicht festgestellt werden kann.
h) Rückgriffsmöglichkeit auf sonstige Zuständigkeitsnormen nach Art. 14 Brüssel IIa-VO
Diese Vorschrift regelt, dass sich die Zuständigkeit nach den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates bestimmt, sofern eine Zuständigkeit aus dem Art. 8 bis 13 Brüssel IIa-VO eines anderen Mitgliedsstaates nicht begründet werden kann (hier ist aber zunächst die Vorrangigkeit des KSÜ zu beachten).
i) Verweisungsregel des Art. 15 Brüssel IIa-VO
In besonderen Ausnahmefällen kann eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Mitgliedsstaates erfolgen, das den Fall im Interesse des Kindeswohls besser beurteilen kann. Eine Verweisung kann auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen. Dies ist in der Praxis äußerst selten.
B. Das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit des anzuwendenden Rechts, die Anerkennung, die Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und die Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ)
a) Einleitung
Das Kinderschutzübereinkommen (KSÜ), das für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.01.2011 in Kraft ist, soll einheitliche Regelungen über die internationale Zuständigkeit und das anzuwendende Recht in den Vertragsstaaten1
b) Anwendungsbereich
In Art. 3 KSÜ ist aufgelistet, welche Maßnahmen nach dem KSÜ getroffen werden können. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die die elterliche Verantwortung betreffen. Hiervon inbegriffen ist das Recht zum persönlichen Umgang.
c) Zuständigkeitsregelung nach dem KSÜ
Art. 5 KSÜ knüpft hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage primär an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an. Hierbei ist aber Art. 7 KSÜ zu beachten. Bei einem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes bleiben die Behörden des Vertragsstaates, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, solange zuständig, bis es einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat erlangt hat und das Verbringen oder Zurückhalten durch eine Behörde oder sonstige Stelle bzw. jede sorgeberechtigte Person genehmigt wurde (vergl. Art. 5 lit.a KSÜ). Ansonsten ist im Falle eines widerrechtlichen Verbringens eine Zuständigkeit erst nach Ablauf eines Jahres gegeben, sofern die sorgeberechtigte Person bzw. Behörde oder sonstige Stelle den Aufenthaltsort des Kindes kannte oder hätte kennen müssen und während dieses Zeitraums kein Antrag auf Rückführung gestellt wurde (vergl. Art. 7 lit.b KSÜ).
d) Verhältnis zur Brüssel IIa-VO
Art. 61 der Brüssel IIa-VO stellt klar, dass die Brüssel IIa-VO gegenüber dem KSÜ Vorrang hat. Dies gilt nicht nur im Verhältnis zu Kindern mit Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat, sondern auch für Kinder mit Staatsangehörigkeit eines Drittstaates aber gewöhnlichem Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates. Somit ist der Anwendungsbereich des KSÜ hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage für uns relativ eingeschränkt. Sofern wir Fälle aus deutscher Sicht zu beurteilen haben, kommt es immer auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes in Deutschland unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit an, wir landen somit in der Brüssel IIa-VO. Lediglich dann, wenn das Kind, das über eine Drittstaatsangehörigkeit verfügt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des KSÜ hat, der aber nicht Mitgliedsstaat der Brüssel IIa-VO ist, kann das KSÜ die Zuständigkeitsfrage regeln. Hieraus folgt, dass sich die Zuständigkeitsfrage in Deutschland für Fragen hinsichtlich der elterlichen Verantwortung nach der Brüssel IIa-VO richtet.
c. Umzug eines Elternteils mit dem Kind ins Ausland nach Trennung
Einleitung
Bei Bestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge ist ein Umzug mit dem gemeinsamen Kind ins Ausland nur dann möglich, wenn das Einverständnis des anderen Elternteils vorliegt. Liegt dieses Einverständnis nicht vor, so stellt dies einen Verstoß im Sinne von Art. 3 HKÜ dar, sofern der andere Elternteil mit dem Kind heimlich ins Ausland umzieht.
Hat ein Elternteil in Deutschland das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht, so stellt sich die Frage, ob ein Umzug mit dem Kind ohne Einverständnis ins EU-Ausland berechtigt ist.
Es sind somit verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden:
1. Getrennt lebende Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge ohne gerichtliche Entscheidung zur elterlichen Sorge
Haben die Eltern sich getrennt und sind sich darüber einig, dass das Kind bei einem Elternteil leben soll, ohne dass sie hierüber eine gerichtliche Entscheidung erwirkt haben, ist bei einem Umzug ins Ausland das Einverständnis des anderen Elternteils erforderlich. Können die Eltern sich nicht einigen, so ist eine Mediation über diese Frage ratsam. Anderenfalls ist eine Entscheidung des Familiengerichts notwendig. Der geplante Umzug des Kindes muss gerichtlich genehmigt werden. bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist auf den umzugswilligen Elternteil zu übertragen.
2. Einem Elternteil ist nach der Trennung das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch gerichtliche Entscheidung übertragen worden
Hier war die Rechtsprechung sich zunächst uneinig, ob die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Umzug zumindest innerhalb des europäischen Auslands berechtigt. So meinte das OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 09.08.2007 (9 UF 450/07 = FamRBint 2008, 5 ff.), die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts übertrage dem Elternteil genauso das Recht, wie von Süd- nach Norddeutschland zu ziehen, ohne die Zustimmung des anderen Elternteils einzuholen, auch das Recht zum Umzug mit dem gemeinsamen Kind von Deutschland nach England.
Wenn mit einem Umzug ein Schulwechsel verbunden ist, hielt dagegen das OLG Dresden und das OLG München hierfür die Zustimmung des anderen Elternteils für erforderlich. Als Begründung wurde angeführt, dass die Befugnis den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, nur einen Teilbereich der Personensorge betrifft. Ein größerer Umzug könne aber auch Auswirkungen auf andere Bereiche der Personensorge haben, so wie etwa die Schule, Gesundheit und Form der Betreuung, die den Eltern noch gemeinsam zur Entscheidung verblieben sind. Deshalb sei trotz Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts das Einverständnis des anderen Elternteils ausdrücklich notwendig (OLG Dresden vom 15.10.2002 – 10 UF 433/02 sowie OLG München vom 13.07.1998 – 12 WF 966/98 = OLG Report München 1998/287).
Der BGH hat sich zu dieser Frage ebenfalls mit Beschluss vom 28.04.2010 (vergl. BGH FamRBint 2010, 51) geäußert. Er geht davon aus, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ausreichend ist und stellt Kriterien für die Entscheidungsfindung auf:
Wenn der das Kind betreuende Elternteil beabsichtigt, mit dem Kind in ein entferntes Land (hier: Mexiko) auszuwandern und beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben, so ist Maßstab der Entscheidung über die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts vornehmlich das Kindeswohl. Die Motive des auswanderungswilligen Elternteils stehen nicht zur Überprüfung des Familiengerichts. Für die Entscheidung sind zudem die beiderseitigen Elternrechte einzubeziehen. Die allgemeine Handlungsfreiheit des auswanderungswilligen Elternteils schließt es aus, dass auch die Möglichkeit des Verbleibs des betreuenden Elternteils im Inland als tatsächliche Alternative in Betracht kommt, selbst wenn diese dem Kindeswohl am besten entspräche. Die Gründe des Elternteils für seinen Auswanderungswunsch sind nur insoweit bedeutsam, als sie sich nachteilig auf das Kindeswohl auswirken (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 – IVb ZB 66/88 – FamRZ 1990, 392). Verfolgt der Elternteil mit der Auswanderung auch die Kontakte zum anderen Elternteil zu verlieren, so fehlt ihm die nötige Bindungstoleranz und somit wird die Erziehungseignung in Frage gestellt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2007, 75, 760).
Zusammenfassen lässt sich festhalten, dass entscheidende Kriterien sind: Wer ist die Hauptbezugsperson, Alter des Kindes, Möglichkeit Umgang im Falle des Wegzugs auszuüben sowie Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und Erziehungseignung beider Elternteile und Integration des Kindes in sein altes und mögliches neues Umfeld.
3. Einem Elternteil ist nach Trennung die elterliche Sorge insgesamt durch gerichtliche Entscheidung übertragen worden oder dieser war kraft Gesetzes Inhaber der alleinigen elterlichen Sorge
Bei alleiniger elterlicher Sorge eines Elternteils kann dieser ohne Zustimmung des anderen Elternteils mit dem Kind ins Ausland umziehen, wohin er will, auch wenn damit Entscheidungen verbunden sind, die für das weitere Leben des Kindes von erheblicher Bedeutung sind. Einschränkungen gelten nur dann, sofern hier das Kindeswohl durch den Umzug beeinträchtigt wird. Nur in diesem Fall kann sich der nicht betreuende Elternteil gegen den Umzug gerichtlich wehren.
D. Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (HKÜ)
1. Ziel und Zweck des Abkommens
Dieses Übereinkommen wurde bereits am 25.10.1980 verabschiedet, in Deutschland aber erst am 01.12.1990 in Kraft gesetzt.
Nach dem HKÜ2 sind Entscheidungen über das Sorgerecht oder Fragen betreffend die Umgangsregelung bei der Trennung der Eltern in dem Staat zu treffen, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die in einem anderen Vertragsstaat getroffene Sorgerechtsentscheidung bzw. das dort geltende Sorgerechtsverhältnis ist in dem anderen Staat zu beachten. Setzt sich ein Elternteil über eine Sorgerechtsentscheidung hinweg, indem er das Kind entweder widerrechtlich in einen anderen Vertragsstaat verbringt bzw. dort zurückhält, so kann die Rückführung des Kindes nach dem HKÜ beantragt werden. Ein Antrag auf Rückführung des Kindes ist bei der Zentralen Behörde des jeweiligen Vertragsstaates zu stellen. In Deutschland ist das beim Bundesamt für Justiz. Die Anschrift lautet:
Bundesamt für Justiz, Adenauerallee 99 – 103, 53113 Bonn
Tel.: 0228/410-40, Fax: 0228/410-5050, http://www.bundesjustizamt.de
Zu beachten ist, dass das Abkommen auch Anwendung findet, wenn das Umgangsrecht eines Elternteils verletzt wird. Dann kann mit Hilfe der Zusammenarbeit der zentralen Behörden eine Umgangsregelung getroffen werden.
2. Entführung eines Kindes von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat des HKÜ
Wird ein Kind von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat entführt, so kann ein Antrag beim Bundesamt für Justiz auf Rückführung des Kindes nach Deutschland gestellt werden. Das Bundesamt für Justiz setzt sich dann mit der zentralen Behörde des anderen Vertragsstaates in Verbindung, damit die dortige zentrale Behörde vor Ort den Aufenthaltsort des Kindes ermittelt und den entführenden Elternteil auffordert, das Kind zurückzubringen, in der Regel unter Setzung einer Frist. Wird das Kind nicht herausgegeben, leitet die zuständige Zentrale Behörde vor Ort ein Gerichtsverfahren auf Herausgabe des Kindes ein. Der vorherige Antrag bei der Zentralen Behörde ist keine Bedingung für die Einleitung eines gerichtlichen Rückführungsverfahrens. Vielmehr kann der Antrag auf Herausgabe des Kindes auch direkt beim zuständigen Gericht des Zufluchtsstaates gestellt werden, was sicherlich zu einer Beschleunigung des Verfahrens führt. Auch wenn ein gerichtliches Rückführungsverfahren anhängig ist, steht die Möglichkeit für eine Mediation noch offen (vgl. http://www.mikk-ev.de).
3. Rückführungsvoraussetzungen
Das Verbringen oder Zurückhalten ist dann widerrechtlich, wenn hierdurch das Sorgerecht des anderen Elternteils nach dem Recht des Staates, in dem das Kind sich unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten gewöhnlich aufgehalten hat, verletzt wird. Wir können somit nicht das deutsche Verständnis von Sorgerecht heranziehen, um zu beurteilen, ob eine Sorgerechtsverletzung z.Bsp. nach spanischem Recht vorliegt. Es ist insbesondere auf die Sorgerechtslage im Zeitpunkt der Entführung abzustellen und nicht der Maßstab danach anzulegen.
4. Ausschluss der Rückführung nach Art. 13 HKÜ
Eine Rückführung kann dann ausgeschlossen werden, wenn der andere Elternteil, dessen Sorgerecht verletzt wurde, dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt oder dies nachträglich genehmigt hat. Dies stellt häufig eine Beweisfrage dar und ist daher meist streitig. Hier stellt sich auch die Frage, ob durch schlüssiges Verhalten eine Zustimmung oder Genehmigung zu befürworten ist. (SMS- Korrespondenz, Anmeldung in der Schule, Verabschiedung und Begleitung zum Bahnhof). Weiterhin ist die Rückführung ausgeschlossen, wenn die Rückgabe mit schwerwiegenden Gefahren eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf eine andere Weise in eine unzumutbare Lage versetzt wird.
Allgemeine Erwägungen etwa zur besseren Eignung eines Elternteils zur Ausübung der elterlichen Sorge oder zu den Lebensverhältnissen in dem anderen Staat reichen hierfür nicht aus, um eine Rückführung zu verhindern. Das Rückführungsverfahren ist kein Sorgerechtsverfahren. Sorgerechtsentscheidungen sollen viel mehr dort getroffen werden, wo das Kind zuvor gelebt hat.
Der Kinderwille kann aber von Bedeutung sein, wenn das Kind eine solche Reife erlangt hat, dass es eine eigene, verantwortliche Erklärung dahingehend abgeben kann, dass es sich der Rückführung wider setzt (vgl. Art. 13 Abs. 2 HKÜ). Dies wird in der Regel aber erst dann anzunehmen sein, wenn das Kind mindestens 12 Jahre alt ist. Bei einem Kind, das das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat, findet das Abkommen allerdings keine Anwendung mehr.
5. Eilzuständigkeit für dringende Schutzmaßnahmen Art. 20 Brüssel IIa-VO
Hiernach kann die internationale Zuständigkeit eines an und für sich in der Hauptsache unzuständigen Gerichts für eine Schutzmaßnahme, die dringender und vorübergehender Natur ist, gegeben sein. Ansonsten besteht keine Zuständigkeit des Gerichts in dem Staat in den das Kind verbracht oder zurückgehalten wurde, solange das Rückführungsverfahren läuft (Art. 16 HKÜ). Die Gerichte des Staates am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes sind hingegen hierzu befugt (Art. 10 Brüssel IIa-VO).
6. Besonderheiten nach der Brüssel IIa-VO
Nach Art 11 Abs. 2 Brüssel II-a VO ist die Anhörung des Kindes unbedingt erforderlich, die Ausgestaltung der Anhörung sowie die Frage ab welchem Alter ein Kind angehört werden kann, unterliegt aber dem Recht der Mitgliedsstaaten. Insoweit hat keine Harmonisierung stattgefunden. Nach Art. 11 Abs. 3 sieht eine Verfahrensbeschleunigung vor. Entscheidungen des Gerichts sind innerhalb von sechs Wochen zu treffen. Art. 11 HKÜ lässt im Gegensatz dazu zu, dass das Gericht, sollte es nicht innerhalb von sechs Wochen entschieden, die Verfahrensverzögerung zu begründen hat.
Eine Rückführung soll auch dann stattfinden, wenn dies eine Gefahr für das Kind darstellt aber nachgewiesen ist, dass ausreichende Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes zu gewährleisten (vgl. Art. 11 Abs.4 Brüssel II-a VO). Nach Art. 11 Abs. 5 Brüssel II-a VO ist die Anhörung des Antragstellers unabdingbar.
F. Die Grenzsperre als vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor Kindesentziehung
Trägt ein Elternteil vor, dass der andere Elternteil beabsichtige, das gemeinsame Kind in sein Herkunftsland zu entführen, so besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Erlass einer Grenzsperre beim zuständigen Familiengericht zu stellen. In der Regel wird dem Erlass einer Grenzsperre stattgegeben, wenn plausible Gründe in Form einer eidesstattlichen Versicherung vorgetragen werden. Dies bedeutet, dass allein die Angst vor einer Kindesentziehung nicht ausreichend ist, sondern vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorgetragen werden müssen, aus denen sich erschließen lässt, dass der andere Elternteil versucht das Kind mit sich zu nehmen. Werden z.B. Drohungen ausgesprochen, dass das Kind entführt oder nach einer Reise nicht mehr zurückgebracht wird, kann eine Grenzsperre erlassen werden. Sie gilt dann für den Zeitraum von einem Jahr, falls nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Bundespolizei in Koblenz trägt die Grenzsperre dann in das Schengener Informationssystem ein. Ein Beschluss auf Erlass einer Grenzsperre lautet in etwa wie folgt:
Hat das Amtsgericht Pankow/Weißensee – Familiengericht am ——- durch den Richter ——- am Amtsgericht beschlossen:
Dem Vater wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 25.000,00 EUR verboten, das Kind außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu bringen.
Die Grenzpolizeibehörden der Bundesrepublik Deutschland werden ersucht, im Rahmen der Grenzfahndung jede Ausreise des Kindes aus der Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls aber aus dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten des Übereinkommens von Schengen zu verhindern, sofern die Begleitperson nicht durch einen Gerichtsbeschluss späteren Datums nachweisen kann, dass sie Inhaberin der elterlichen Sorge oder der Personensorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind ist.
Gründe:
Aufgrund der eidesstattlichen Erklärung der Mutter ist die Gefahr glaubhaft gemacht, dass der Vater das Kind gegen den Willen der Mutter und unter Verletzung des bestehenden gemeinsamen Sorgerechts der Eltern in sein Heimatland, nach ——, verbringen könnte. Zur Abwendung einer Gefahr für das Kindeswohl ist die vorstehende Anordnung daher geboten.
G. Das anwendbare Sorgerecht
1. Einleitung
Welches Recht auf das Sorge- und Umgangsrecht anzuwenden ist, bestimmt sich in Deutschland nach dem vorrangig geltenden völkerrechtlichen Abkommen, dem Kinderschutzübereinkommen (KSÜ). Es gibt keine EU-Verordnung, die bislang das anwendbare Recht für das Sorge- und Umgangsrecht regelt.
2. Das anwendbare Recht nach dem KSÜ
Nach Art. 15 KSÜ folgt das anwendbare Recht grundsätzlich der Zuständigkeit. Die elterliche Verantwortung unterliegt nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes. Nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ richtet sich das Entstehen und Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetz, d.h. ohne Einschalten eines Gerichtes, nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes. Art. 16 Abs. 3 KSÜ stellt aber klar, dass nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die einst begründete elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des ursprünglichen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes fortbesteht. Findet ein Aufenthaltswechsel in einen anderen Vertragsstaat statt, so bestimmt sich die bis dato noch nicht bestehende elterliche Verantwortung nun nach dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthaltsortes (vgl. Art. 16 Abs. 4 KSÜ). Hat z.B. ein nichtehelicher deutscher Vater kein Sorgerecht und zieht er mit dem Kind nach Frankreich, so profitiert er von der dortigen für ihn
besseren Rechtslage und teilt sich fortan an nach Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die elterliche Sorge automatisch mit der Mutter, ohne dass es hierfür der Abgabe einer Sorgerechtsklärung oder gerichtlichen Entscheidung in Deutschland bedarf. Bei einem späteren Rückzug nach Deutschland bleibt dieses Sorgerechtsverhältnis bestehen.
DIE AUFENTHALTRECHTLICHE SITUATION VON DRITTSTAATLERN ALS FAMILIENANGEHÖRIGE EINES UNIONSBÜRGERS
Seminar zum Thema „Die aufenthaltsrechtliche Situation von Drittstaatlern als Familienangehörige eines Unionsbürgers“
von Svenja Schmidt-Bandelow (gehalten am16. November 2018, Veranstalter: Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF))
1. Definition Unionsbürgerschaft:
Der Begriff der Unionsbürgerschaft wurde 1992 durch den Vertrag von Maastricht in Art. 17 EG-Vertrag eingeführt. Seit dem 01.12.2000 ist die Unionsbürgerschaft durch den Lissabon-Vertrag in Art.20 über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestimmt. Hiernach ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht. Die Unionsbürgerschaft ermöglicht bestimmte Rechte, z.Bsp. das Recht sich in dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das Wahlrecht bei Kommunalwahlen sowie bei der Wahl zum Europäischen Parlament. Weiterhin beinhaltet die Unionsbürgerschaft ein Diskriminierungsverbot (keine Schlechterstellung des Unionsbürgers gegenüber einem Inländer oder auch einem Drittstaatsangehörigen).
2. Was bedeutet Freizügigkeit in der Europäischen Union
a. Einleitung:
Für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedsstaates (Unionsbürger) und ihre Familienangehörige gelten besondere Vorschriften. Sie fallen nicht unter das Aufenthaltsgesetz, sondern vielmehr das Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) und die Freizügigkeitsrichtlinie vom 29.04.2004 (2004/38/EG). Sie genießen hierdurch zahlreiche Privilegien und es gelten Besonderheiten gegenüber „sonstigen Ausländern“.
§ 1 FreizügigkeitsG/ EU gibt Aufschluss darüber, dass das FreizügigkeitsG nur für Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten der EU und deren Familienangehörigen gelten soll.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, dies betrifft die sogenannten Rückkehr-Fälle.
b. Personenfreizügigkeit:
Im Fall Dano hat der EuGH ein Aufenthaltsrecht nur für die ersten drei Monate in einem anderen Mitgliedsstaat anerkannt, sofern das Existenzminimum nicht gesichert ist und kein weiteres Freizügigkeitsrecht, dass über die Personenfreizügigkeit hinausgeht erfüllt ist (EuGH, Urteil vom 11.11.2014, Rs. C 333/13, NVwZ 2014, 1648).
c. Arbeitnehmerfreizügigkeit:
Hierunter ist zu verstehen, dass ein Arbeitnehmer aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat ohne Einschränkungen in einem anderen Mitgliedstaat der EU leben und arbeiten kann. Er braucht zur Ausübung der Erwerbstätigkeit keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis.
Nach Art. 45 Abs. 3 a und b AEUV beinhaltet die Arbeitnehmerfreizügigkeit folgendes:
– Sich auf Stellenangebote zu bewerben
– eine Beschäftigung auszuüben
– nach Beendigung der Beschäftigung sich weiterhin im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats aufzuhalten. (vgl. hierzu Art. 7 Abs.3 Freizügigkeits-RL) Bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit geht das Recht auch nicht verloren (vgl. § 2 Abs.3 Nr.2 FreizügigkeitsG). Aber auch bei nicht freiwilligem Verlust des Arbeitsplatzes, sofern sich der Unionsbürger nach Aufgabe des Arbeitsplatzes bemüht erneut Arbeit zu finden, vgl. EuGH, Urt.v. 12.05.1998, RS. C-85/96 (Sola).
Also ist die Einreise zur ernsthaften Arbeitssuche ohne Nachweis des Existenzminimums des Unionsbürgers möglich. (vgl. EuGH Urt.v.23.3.2004, RS. C- 138/02 (Collins), InfAuslR 2004,375)
Arbeitnehmer ist auch, wer nur wenige Tage pro Woche oder Stunden pro Tag arbeitet. Unerheblich ist, ob das Existenzminimum durch die Arbeit gesichert werden kann.
d. Niederlassungsfreiheit:
Niederlassungsfreiheit heißt, dass sich jeder Unionsbürger in einem anderen EU- Mitgliedsstaat niederlassen und dort einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann, ohne dass hierfür eine besondere Genehmigung durch die Ausländerbehörde nötig ist. Unionsbürger unterliegen keinerlei Einschränkungen.
3. Drittstaatsangehörige und Freizügigkeit:
Drittstaatsangehörige, d. h. Staatsangehörige, die keine Staatsangehörigkeit der Europäischen Union besitzen, genießen dann Freizügigkeit, wenn sie Familienangehörige eines Unionsbürgers oder eines freizügigkeitsberechtigten Drittstaatsangehörigen sind (vgl. § 3 FreizügigG/EU).
Für alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen gilt die Freizügigkeitsvermutung, das heißt das Recht des Aufenthalts bis zu drei Monaten im Gebiet des anderen Mitgliedsstaates als dem Heimatsstaats des Unionsbürgers. Dies hängt lediglich vom Besitz eines Personalausweises oder eines Reisepasses ab. Der Drittstaatsangehörige muss darüber hinaus den Nachweis führen, dass er Familienangehöriger des Unionsbürgers ist. Nach Art. 6 FreizügigkeitsG-RRL, § 2 Abs.5 können Identität und Staatsangehörigkeit auch auf andere Weise glaubhaft gemacht werden als durch die Vorlage eines Reisepasses. (vgl. EuGH Urteil, vom 17.02.2005 Rs. C-115/03 (OUALE) InfAuslR 2005, 126).
4. Familienangehörige von Unionsbürgern:
Als Familienangehörige gelten Ehepartner, der Lebenspartner des Unionsbürgers, seine Kinder (auch Stiefkinder oder Enkelkinder) bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs, aber auch gleiches gilt für Kinder oder Enkelkinder des Ehe-oder Lebenspartners. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob dem Nachziehenden Unterhaltszahlungen geleistet werden, Einschränkungen sind nur dann hiervon zu machen, wenn das Freizügigkeitsrecht ausschließlich auf der Personenfreizügigkeit begründet wird. Ansonsten sind auch Verwandte in gerader aufsteigender und gerader absteigender Linie des Unionsbürgers oder seines Ehegatten, denen Unterhalt gewährt wird nachzugsberechtigt. Das sind die Verwandter in direkter aufsteigender Linie (Eltern, Großeltern, sowie Kinder- oder Enkelkinder, die bereits das 21.Lebensjahr vollendet haben).
Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Unionsbürger oder sein Ehegatte diesen Unterhalt gewährt. Dies bedeutet, dass der hier lebende Unionsbürger oder sein Ehegatte in der Lage sind, den Nachziehenden finanziell zu unterstützen und ihm ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu gewähren.
Problematisch ist deshalb, wenn der Nachzug zu einem Unionsbürgerkind erfolgt. Hier ist der Regelfall so, dass grundsätzlich Eltern ihrem Kind Unterhalt leisten und nicht das Kind ihren Eltern. Dieser Fall ist nicht ausdrücklich im FreizügigkeitsG/EU geregelt, taucht aber auch nicht in der Freizügigkeits-RL auf. (vgl. hierzu auch Entscheidung des BVerwG Urteil vom 25.10.2017, 1C 34.16). Aber was ist, wenn dies dazu führen würde, dass das Unionsbürgerkind dann veranlasst wäre, weil es den Unterhalt für seine Eltern nicht gewähr leisten kann, das Unionsgebiet zu verlassen. Ein solches Ergebnis ist nicht gewollt. Hier gibt es verschiedene Lösungsansätze in der Praxis wird es häufig so gehandhabt, dass dann analog nach § 28 Abs.1 S.1 Nr.3 AufenthG verfahren wird, da Unionsbürgerkinder hinsichtlich des Aufenthaltsrechts ihrer Eltern nicht schlechter gestellt werden dürfen, als Deutsche. Die derzeitige Weisungslage der Ausländerbehörde Berlin geht aber sogar soweit, dass in einem solchen Fall zu prüfen ist, ob nicht der Drittstaatsangehörige gezwungen werden kann, ohne das Unionsgebiet zu verlassen, seine familiäre Lebensgemeinschaft im Herkunftsland des Unionsbürgerkindes zu leben. Im Übrigen spricht die Weisungslage hier sogar sonst nur von einem Aufenthaltsrecht iSd. § 25 Abs.5 AufenthG.
Dies kann also dazu führen, dass Familienangehörige von Unionsbürgern aus Drittstaaten in manchen aufenthaltsrechtlichen Fragen besser behandelt werden als Familienangehörige eines Deutschen. Man spricht hier von der so genannten Inländerdiskriminierung. Diese Inländerdiskriminierung wird von der deutschen Rechtsprechung aber hingenommen, ohne dass eine Anpassung der nationalen Aufenthaltsregelungen an die Freizügigkeitsregelungen erfolgt ist.
5. Welche sonstigen Drittstaatsangehörigen profitieren vom Freizügigkeitsrecht, ohne Familienangehörige eines Unionsbürgers zu sein?
Gemäß § 12 FreizügG/EU sind sämtliche Staatsangehörige des europäischen Wirtschaftsraums, also die Bürger Islands, Norwegens und Liechtensteins freizügigkeitsberechtigt. Schweizer Staatsbürgern wird, obwohl sie dem EWR nicht beigetreten sind, ein Freizügigkeitsrecht nach dem Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz vom 21.07.1999 in Form einer freizügigkeitsähnlichen Stellung eingeräumt.
6. Nachweis des Aufenthaltsrechts:
Unionsbürger bedürfen keiner Freizügigkeitsbescheinigung mehr. Ihr Aufenthaltsrecht besteht dem Grunde nach. Familienangehörigen von Unionsbürgern, die Drittstaatsangehörige sind, wird eine Aufenthaltskarte für die Dauer von 5 Jahren ausgestellt (vgl. § 5 FreizügG/EU). Aber auch diese ist nur deklaratorisch.
7. Daueraufenthaltsrecht EU (§ 4 a Nr. 3 FreizügG/EU):
Ein Daueraufenthaltsrecht entsteht für einen Unionsbürger nach einem Zeitraum von fünf Jahren. Das Daueraufenthaltsrecht-EU kann aber auch schon nach drei Jahren entstehen, wenn der Ehepartner des Unionsbürgers Deutscher ist. Sonstige Familienangehörige des Unionsbürgers, die aus einem Drittstaat stammen, erhalten jedoch erst nach Ablauf von fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht, sofern sie sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig n Deutschland aufgehalten haben und die Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre, davon ein Jahr in Deutschland, bestanden hat (vgl. § 4a Abs.5 FreizügigG/EU iVm. § 3 Abs.5 Nr.1 FreizügigG/EU). Weitere Voraussetzung für das Daueraufenthaltsrecht sind ausreichende Existenzmittel, sowie ein Krankenversicherungsschutz.
8. Eigenständiges Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen bei
Trennung:
Allein durch die Trennung geht das Freizügigkeitsrecht nicht verloren, sondern erst durch die Scheidung. Hier ist zum Beispiel dem russischen Ehemann, der sich bereits nach anderthalb Jahren von seiner italienischen Ehefrau trennt, allein wegen der Trennung sein Aufenthaltsrecht nicht zu entziehen, da für ihn nicht das Aufenthaltsgesetz, sondern die besonderen vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Maßstäbe zum Fortbestand des Freizügigkeitsrechts im Falle der Trennung gelten. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist somit keine Bedingung, sondern der formelle Bestand der Ehe. Ausgeschlossen sind nur
nachgewiesene Scheinehen (vgl. EuGH, Rs. 267/783 Diatta, 13.12.1985). Die Einreise eines Drittstaatsangehörigen kann nicht wegen des Verdachts auf Scheinehe verweigert werden. Bestätigt sich dieser Verdacht nach der Einreise, kann die Aufenthaltskarte entzogen werden. Das Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen, bleibt aber auch im Falle der Scheidung dann bestehen, wenn die Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr in Deutschland (§ 3 Abs. 5 FreizügG/EU), oder dieser aufgrund einer Vereinbarung oder gerichtlichen Entscheidung das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind ausübt oder Umgang mit dem gemeinsamen Kind hat. Solange das Kind der Fürsorge und der Anwesenheit des Drittstaatsangehörigen Elternteils hat, um seine Ausbildung abzuschließen, hat dieser Elternteil ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht, auch wenn er vom anderen Elternteil geschieden ist. Dies gilt über die Volljährigkeit hinaus (vgl. EuGH, Teixeira, Rs. C-529/11).
9. Rückkehrfälle:
Hier stellt sich die Frage, ob ein Unionsbürger, der sich in Ausübung seines Freizügigkeitsrechts in einen anderen Mitgliedstaat begibt und dort aufhält, diese Freizügigkeitsrecht wieder mit „nach Hause“ nehmen kann. Dies hatte der EuGH in der Rechtssache „Singh“ (C-370/90), bejaht. Herr Singh, der im Vereinigten Königreich eine britische Staatsangehörige geheiratet hatte, zog mit dieser nach Deutschland, wo beide arbeiteten, bevor sie dann wieder nach zwei Jahren in das Vereinigte Königreich zurückkehrten. Der EuGH bejahte es, dass Herr Singh sich nach der Rückkehr weiter auf sein Aufenthaltsrecht berufen kann. Gleiches erfolgte in der Entscheidung „Eind“ (RS S- 291/05). In der Entscheidung heißt es: „Ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates könnte davon abgeschreckt werden, den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zu verlassen, um im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben, wenn er nicht die Gewissheit hätte, in den Herkunftsmitgliedstaat unabhängig davon zurückzukehren, ob er dort eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.“
In diesem Zusammenhang stellt sich noch die Frage, wann ein Aufenthalt eine Rückkehr ermöglicht. Der EuGH hat im Verfahren O.B. (RS C-457/12) die Notwendigkeit einer nachhaltigen Inanspruchnahme einer der Grundfreiheiten und damit eines familiären Zusammenlebens von mehr als drei Monaten im Aufnahmemitgliedstaat, für erforderlich gesehen, bevor er seine Rechte aus dem Unionsrecht im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat auslösen kann.
Fazit: Auch ein deutscher Staatsangehöriger, der zusammen mit seinem Drittstaatsangehörigen-Familienangehörigen in einen anderen Mitgliedstaat zieht und sich dort eine Weile aufhält, kann nach der Rückkehr vom Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen, was sich auf den Familienangehörigen des Rückkehrers positiv auswirkt.
10. Visum für Familiengehörige (Drittstaatler):
Familienangehörige von Unionsbürgern brauchen für die Einreise kein Visum in Form des Familiennachzugs (vgl. EuGH Mrax – RS – C-459/99). Dennoch wird die Einreise für Negativstaater in den Schengenbereich praktisch nur mit einem Visum möglich sein (vgl. EU-Visa-VO = VO (EG) Nr. 539/2001). Trotzdem ist aber zu berücksichtigen, dass das Visaverfahren gänzlich anderes ablaufen muss, als bei sonstigen Drittstaatern (Art. 5 Abs. 2 S. 2 FreizügigkeitsRL). Das Verfahren hat beschleunigt zu erfolgen. Zulässig ist alleine eine formelle Überprüfung der unionsrechtlichen Voraussetzungen der Einreise, also ob die betroffene Person Familienangehöriger eines Freizügigkeitsberechtigten ist und deswegen ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmen kann. Unzulässig ist aber die Überprüfung nationalstaatlicher Einreisevoraussetzungen, z.Bsp. von Sprachkenntnissen oder die Absicht der Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Auch die Tatsache, dass sich gegebenenfalls ein Familienangehöriger illegal im Gebiet der Union aufhält, ist kein Grund dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt zu verweigern. Alle weiteren Fragen, das Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen betreffend, etwa weil der Verdacht auf eine „ Scheinehe“ besteht oder der Familienangehörige im SIS zur Fahndung ausgeschrieben ist, sind nach der Einreise zu prüfen und zu bewerten. Die Einreise selbst muss zugelassen werden. Selbst ein etwaiger Verstoß gegen Visumvorschriften, insbesondere die illegale Einreise des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen, hat auf sein Recht zum Aufenthalt keine Auswirkungen, solange er nicht aus anderen Gründen eine Gefahr im unionsrechtlichen Sinn darstellt. Bereits 2002 hat der EuGH dies unmissverständlich festgestellt: Danach ist es einem „Mitgliedsstaat nicht gestattet, dem Staatsangehörigen eines Drittstaats, der seine Identität und die Tatsache, dass er mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates verheiratet ist, nachweisen kann, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verweigern und ihm gegenüber einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zu ergreifen, nur weil er illegal in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedsstaats eingereist ist.“ (vgl. OVG Bln-Bbg, Urt.v.13.04.2011,OVG 12 B 37/09)
Das Visum ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, ferner nicht zu verweigern, wenn sie nach Art. 96 SDÜ in dem Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sind, es sei denn es geht eine tatsächliche gegenwärtige und erhebliche Gefahr für das Grundinteresse der Gesellschaft aus (vgl. Art. 27 FreizügigkeitsRL).
11. Visumspflicht von Drittstaatsangehörigen
Sonstige Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel eines (anderen) Mitgliedsstaats besitzen, dürfen jedenfalls für längstens drei Monate visumfrei sich im Hoheitsgebiet der EU frei bewegen und einreisen, Art. 21 Abs.1 SDÜ.
12. Exkurs:
Wird die Eheschließung in Deutschland anerkannt, wenn im Ausland geheiratet wurde?
Bei Eheschließung im Ausland handelt es sich um eine wirksame Eheschließung, die in Deutschland automatisch anerkannt wird. Es gibt kein Anerkennungsverfahren bzw. eine sogenannte Prüfstelle, die überprüft, ob die Eheschließung anzuerkennen ist. Anders ist dies allerdings, wenn es sich um eine Scheidung, die außerhalb der EU ausgesprochen wurde, handelt.
Wenn die Form der Eheschließung im jeweiligen Land, die sogenannte Ortsform (vgl. Art.11 Abs.1 EGBGB), eingehalten wurde, handelt es sich um eine formwirksame Ehe, die in Deutschland Gültigkeit hat. Die materielle Wirksamkeit ist bei dem Verbot der Mehrehe (vgl. dazu später) oder auch bei sogenannten Kinderehen (vgl. hierzu Schaubild) in Frage zu stellen.
Es bedarf auch keiner Registrierung der im Ausland erfolgten Eheschließung. In Deutschland gibt es zwar beim Standesamt geführte Heiratseinträge, es besteht jedoch keine gesetzliche Verpflichtung, einen solchen Heiratseintrag in Form der Nachbeurkundung vornehmen zu lassen. Vielmehr kann eine sogenannte Nachbeurkundung i.S.d. § 34 PStG nur auf freigestellten Antrag erfolgen.
Für manche Länder ist aber eine Legalisation bzw. das Versehen der Heiratsurkunde mit einer Apostille erforderlich, damit die Heiratsurkunde in Deutschland akzeptiert wird. Die Legalisation bzw. die Apostille hat jedoch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Eheschließung, sie ist lediglich eine Bestätigung der Echtheit des Dokumentes für hiesige Behörden.
Eingetragene Partnerschaften und gleichgeschlechtliche Ehen in Europa:
In vielen EU-Ländern gelten eingetragene Partnerschaften als gleichwertig zur Ehe oder vergleichbar mit Ehen.
Die gleichgeschlechtliche Ehe selbst ist in folgenden europäischen Ländern möglich: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien (nicht aber Nordirland), Irland, Island, Lichtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien. (Österreich ab 2019)
Eine eingetragene Partnerschaft kann man in folgenden europäischen Ländern abschließen:
Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Österreich, Schweiz, Slowenien, Tschechien, Ungarn.
Alle Länder, in denen gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt sind, erkennen auch eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften an. Eine gleichgeschlechtliche Ehe wird in den Ländern in denen nur eine eingetragene Partnerschaft möglich ist, als eingetragene Partnerschaft behandelt.
In den folgenden EU-Ländern sind eingetragene Partnerschaften oder gleichgeschlechtliche Ehen nicht erlaubt: Albanien, Bulgarien, Bosnien Herzegowina, Kosovo, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei.

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